Folgen, Reihen und Grenzwerte – Paradoxien im Unendlichen II

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Das Unendliche und seine „Zähmung“ ist der Mathematik ureigenstes Thema. Besonders im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden die Begriffe des „unendlich Großen und unendlich Kleinen“ grundlegend definiert und die Analysis auf ein tragfähiges Fundament gestellt.

Der Mensch fürchtet sich seit uralten Zeiten vor der Unübersichtlichkeit und dem Chaos. Deswegen sucht er immer wieder nach Mustern, Wiederholungen, Strukturen, Regelmäßigkeiten und Gesetzen. Das sind die ersten Schritte für die Vorhersagbarkeit von Ereignissen und die Bewältigung einer bedrohlichen Umgebung. So gesehen ist die Mathematik ein sehr hilfreiches Geschenk der Evolution und ein äußerst erfolgreiches Instrument zum besseren Verständnis und der Beherrschung der Welt, aber auch der Voraussagen von Ereignissen. Hat man die Wiederholung desselben Schrittes dreimal oder mehr beobachtet, taucht bei uns schnell die Vermutung auf, dass es vielleicht auch unendlich oft so weitergehen könnte.

Die in der Mathothek zu diesem Thema hängenden und selbst hergestellten Bilder wollen einen anschaulichen Anstoß zum Verständnis und zur gedanklichen Auseinandersetzung mit dem Unendlichen geben. Dabei geht es hier um unendliche Folgen und Summen von Zahlen, um Grenzwerte und Paradoxien, die beim Umgang mit dem Unendlichen auftreten.

Praktisch alle diese Bilder weisen auch fraktale Strukturen auf, d.h. im Detail wiederholt sich das Muster des Ganzen.

Die Koch’sche Schneeflockenkurve ist ein bekanntes exotisches Tier aus dem mathematischen Zoo. Die Koch’sche Schneeflockenkurve ist ein Musterbeispiel für eine fraktale Struktur. Das Konstruktionsprinzip lässt sich aus dem Bild gut ablesen:  Beginnend mit dem blauen gleichseitigen Dreieck, wird jede gerade Strecke in drei gleichlange Teilstrecken geteilt und über dem mittleren Stück ein gleichseitiges Dreieck errichtet usw.

Diejenige Kurve, die als Grenzwert aus der unendlichen Folge immer feiner werdenden Koch’schen Schneeflockenkurven entsteht, dient in der Analysis als Beispiel dafür, dass Stetigkeit in jedem Punkt mit Nicht-Differenzierbarkeit in jedem Punkt möglich ist. 


Bei dem quadratischen Reihenbild geschieht sichtbar Folgendes: Ein Ausgangsquadrat (gesamtes Bild) wird in vier gleich große Quadrate unterteilt, eins wird blau, das zweite rot und das dritte gelb gefärbt. Das vierte Quadrat wird nun wieder in vier gleich große Quadrate geteilt, und so weiter und so fort. Die unendlich vielen blauen, roten und gelben Quadrate ergeben jeweils ein Drittel des Ausgangsquadrats. Nehmen wir jetzt nur die gelben Quadrate, so erhalten wir folgende Flächeninhalte: 1/4, 1/16, 1/64, 1/256, 1/1024, usw. Hierbei haben wir den Flächeninhalt des Ausgangsquadrats 1 gesetzt. Da wir dieselbe Fläche – die gesamte Fläche aller gelben Quadrate – auf zwei verschiedenen Wegen berechnet haben, können wir die beiden Ergebnisse gleichsetzen und erhalten:

1/4+1/16+1/64+1/256+1/1024+…=1/3.

Die unendlich vielen Zahlen dieser Summe sind die Glieder einer geometrischen Folge. Jede Zahl entsteht durch die Multiplikation der Vorgängerzahl mit 1/4, ist daher kleiner als der Vorgänger.


 Bei dem Dreiecksreihenbild I wird ein gleichseitiges Ausgangsdreieck in vier kongruente gleichseitige Dreiecke geteilt. Dieses Vorgehen wiederholt sich immer wieder, unendlich oft. Die (unendliche) Summe der Flächeninhalte der dunklen Dreiecke beträgt dann als Grenzwert ein Drittel des Ausgangsdreiecks. Wenn wir diesem den Wert 1 zuordnen, so erhalten wir dieselbe Gleichung wie oben.


Den Zuschnitt von Papier nach DIN A Norm kennt jeder aus dem Alltag. Bei dem Verhältnis von Länge und Breite handelt es sich mal nicht um den goldenen Schnitt. Das Verhältnis ist so gewählt, dass bei der Halbierung die alte Breite zur neuen Länge wird und die halbe alte Länge zur neuen Breite. Alle DIN A – Formate sind sich geometrisch ähnlich und halb bzw. doppelt so groß, je nach dem ob Zahl steigt oder fällt. Dieses Verhältnis von Länge und Breite beim DIN A – Format ist keine rationale Zahl (kein Bruch).

Die Zusammensetzung des DIN A-Bildes beginnt mit einer DIN A 4 großen Farbfläche. Es werden dann entsprechende farbige Flächen in den Formaten DIN A 5, DIN A 6, DIN A 7, usw. so aneinander gelegt, dass  das Ergebnis in der Vorstellung zu einem Rechteck im DIN A 3 – Format wird. Setzen wie den Flächeninhalt der ersten Rechtecksfläche gleich eins, so erhalten wir für die unendliche Summe die Formel

1+1/2+1/4+1/8+1/16+1/64+…=2 .


Bei dem Dreiecksreihenbild II erkennt man zunächst vier etwas eckige Spiralen, die sich aus kleiner werdenden Dreiecken zusammensetzen. Dabei bildet jede dieser Spiralen eine klare fraktale Struktur. Die vier Spiralen sind kongruent (deckungsgleich). Die Flächeninhalte des nächst kleineren Dreiecks beträgt die Hälfte des größeren. Wir bekommen somit als Flächeninhalt für jede der vier Spiralen 1/8+1/16+1/32+1/64+ … = 1/4, wenn man den Flächeninhalt des gesamten Quadrats gleich eins setzt. Vergleiche hier auch die Interpretation des DIN A-Bilds.


Auch die Interpretation des Quadrat-Dreieck-Bildes führt zunächst zu einer fraktalen Folge aus Quadraten und Dreiecken. Man kann dann relativ schnell einen Zusammenhang mit dem Dreiecksreihenbild II erkennen und sich hier die Frage stellen, Wie groß ist die Summe der Flächeninhalte der unendlich vielen blauen bzw. gelben Dreiecke. Wir nehmen zunächst wieder als Flächeninhalt des gesamten Quadrates eins an. Dann erhalten wir für die Folge der blauen Dreiecke 1/2+1/8+1/32+1/128+ … = b und für die gelben Dreiecke 1/4+1/16+1/64+1/256+ … = g. Somit bekommen wir dann b = 2g Andererseits wissen wir vom DIN A-Bild, dass g+b = 1 gilt. Aus diesen beiden Gleichungen folgt g+2g = 1, also g = 1/3. Die blauen Flächen sind also zusammen doppelt so groß wie die gelben.


Bei dem Reihenbild gibt es blaue und rötliche Flächen, die sich aus immer kleiner werdenden Rechtecken zusammensetzen. Die fraktale Struktur entsteht dadurch, dass diese Folge von blauen bzw. rötlichen Rechtecken – bezogen auf ihren Flächeninhalt – immer um ein Drittel kleiner werden. Wegen der Punktsymmetrie muss die blaue und die rötliche Fläche gleich groß sein. Andererseits erhalten wir als Summe aller blauen bzw. rötlichen Rechtecke – Gesamtfläche nehmen wir wieder als eins an – die unendliche Summe 1/3+1/9+1/27+1/81+ …  . Somit gilt die Formel 1/3+1/9+1/27+1/81+ … =1/2.

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