Wiesbadens OB stattet mit “Verspätung” der Mathothek seinen Besuch zu ihrem 20-jährigen Geburtstag ab.

Bei der Verleihung der Bürgermedaille in Silber der Landeshauptstadt Wiesbaden am 22. November 2019 für meine ehrenamtliche  Arbeit bei der Schaffung der Mathothek, gewann ich den Verdacht, dass der Wiesbadener Oberbürgermeister Mende nicht unter “Mathophopie” leide. Aufgrund dessen sah ich mich ermutigt, ihn zu einem Besuch der Mathothek zu deren 20-jährigem “Geburtstag”einzuladen. Er nahm diese Einladung sehr gerne an und sagte seinen Besuch auch sofort zu. Leider hatte ich nicht damit gerechnet, dass die nicht eingeladene 13. Fee mit dem schönen Namen Corona stinksauer war, alle Planungen zunichtemachte und eine dornige Hecke um die Mathothek herum ins Kraut schießen ließ. Umso mehr freute ich mich über den am 12. Juli 2021 stattgefundenen Besuch des Wiesbadener Oberbürgermeisters Mende und seines Begleiters Volk-Borowski.

Gott-sei-Dank konnte sich die Mathothek an diesem Ehrentag besonders schön präsentieren. Denn noch kurz vor dem Besuchstermin sah sie wie ein nicht gelungenes  Werk von den Verhüllungskünstlern Christo & Jeanne-Claude aus. Die Verhüllung der Mathothek hatte aber ganz nüchtern nur die Aufgabe, ihre mehrere Tausend Objekte vor dem Staub durch Handwerker zu schützen.

In der Folgezeit erwachte die Prinzessin Mathea schöner als je. (Oder schien es uns nur so? Es waren – auch wenn es sich so anfühlte – ja keine hundert Jahre vergangen.)

Für den Ehrentag der Mathothek waren noch einige Gäste eingeladen, die auf verschiedenste Weise das “Großwerden” der Prinzessin mit vielen anderen seit ihrer Geburt auf einem Stück ihres Lebensweges gefördert und unterstützt haben. Anlässlich dieses Besuches konnten sie nach einem Rundgang ihre Lieblingsexponate vorstellen. Mit diesem Rundgang sollte dem Oberbürgermeister und seinem Begleiter ein kurzer Überblick über die unzähligen Exponate und ein Einblick in die grundlegenden Prinzipien, Möglichkeiten und Ziele der Mathothek ermöglicht werden. Dazu hatte ich im Vorfeld einige geeignete Stationen als Brennpunkte ausgewählt und aufgebaut, um das Besondere dieses Weges zur Mathematik – durch anschauliche Erfahrung zum Verstehen der mathematischen Begriffe und ihrer logischen Zusammenhänge zu gelangen – zu demonstrieren. “Mathematik begreifbar machen!” lautet ja das Motto der Mathothek.

Zum besseren Erkennen der wichtigsten Stationen folgen hier Fotos der ausgewählten interaktiven Objekte einiger Stationen:

1. Logik (Antinomien und Paradoxien, so auch das grundlagenmathematisch so interessante selbstbezügliche Beispiel des Barbiers, Junktorenlogik)

2. Symmetrien (“Alles für die Hälfte”, eine interessante Haustür auf dem von Schule zum Bahnhof)

3. Beispiele für besondere Zugänge zu “Unterrichtsthemen” ( Formeln vermuten durch Wiegen, originale Beweise zu Volumenberechnungen)

4. Zahlen, Ziffern, Systeme (Zahlen bis 25 in sechs verschiedenen Kulturen, Binärsystem, konfigurierte Zahlen, mögliche Entstehung der Null)

5. Unendlichkeit und Fraktale (Grenzwerte und fraktale Strukturen werden in Bildern sichtbar, fraktale Strukturen auch in Objekten aus der Natur.

Der treueste und wesentlich längste und vielseitigste Helfer und Freund der Mathothek ist der Informatikstudent Frank Nelles. Sein Engagement begann, als er in der 7. Klasse war, und währt bis heute. Insbesondere hat Frank die Mathothek zur digitalen Welt geöffnet. Ohne seine Mitarbeit gäbe es wohl manches Objekt nicht und vor allem keinen Katalog und digitalen Zugang zur Mathothek, der allen Interessierten die Möglichkeit gibt, sich über die Mathothek und ihre Exponate zu informieren.

Hier zeigt Frank dem OB sein besonderes Exponat: eine stattliche Sammlung von 3D-Drucken. Dabei führt er ihm auch einen im 3D-Druck entstandenen Zirkel vor, mit dem sich schnell und einfach feststellen lässt, ob drei Punkte eine Strecke im goldenen Schnitt teilen. Als Erinnerungsstück übergibt er nach der Vorführung das Exemplar Herrn Mende.

Im Anschluss lernten die Besucher die anderen Ehrengäste mit ihren Lieblingsobjekten kennen:

Der jüngste Teilnehmer ist der gerade flügge gewordene Abiturient Gabriel Giesmann, der immer wieder der Mathothek hilfreich und intelligent zur Verfügung stand. Viele Ideen und geplante Aktionen, die wir zusammen für das Jahr 2020 zum Geburtstag der Mathothek bereits weitgehend vorbereitet hatten, fielen zwar Corona nicht zum Opfer, mussten aber auf Eis gelegt werden. Hier führt Gabriel gerade ein Experiment vor, bei dem die Physik kurzzeitig angezweifelt werden könnte, scheint doch der Doppelkegel bergauf zu rollen.

Die Mathematiklehrerin Constanze Lipowsky führt den Besuchern ein besonderes Glücksrad vor. Ein Exponat, mit dem sich ein schneller und intelligenter Zugang zur Wahrscheinlichkeitsrechnung bietet. Dabei lässt sich Herr Mende gern einbeziehen. Constanze hat wesentliche Verdienste um die Mathothek beim Aufbau von thematischen Ausstellungen, die eine Zeitlang für ganze Jahrgänge nutzbar waren. Dabei hat sie geholfen, das “Stationenlernen” für die Mathothek nutzbar zu machen.

Mit einem weiteren Experiment, einem “verrückten” Bolzplatz, der nur ein Tor besitzt, kreisrund und auch noch drehbar ist, erklärte der Sport- und Physiklehrer Martin Dürr dem Oberbürgermeister das Prinzip der Corioliskraft. Martin hilft nicht nur mit Physik- und Sportkenntnissen, sondern auch dann – wenn ich mit Fuchsschwanz, Feinsäge und Schere mal nicht weiterkomme – mit der einen oder anderen Maschine im Werkraum.

Relativ jung ist die Freundschaft zwischen der Mathothek und dem Informatiklehrer und Mitglied der Schulleitung Dr. Tobias Piniek. Seine Unterstützung der Mathothek ist nicht nur grundsätzlich, sondern besonders durch die Verbindung zur Informatik anregend und wertvoll. Sein Lieblingsexponat ist ein Kästchen mit zwei verschiedenen Schlössern und zwei dazugehörigen Schlüsseln. Damit erklärt er absolut einleuchtend, wie der Austausch von geheimen Botschaften ohne einen Schlüsselaustausch erfolgt. So wird ein ganz wesentliches Prinzip der digitalen Nachrichtenübermittlung ganz elementar durch ein spielerisches Experiment der Mathothek verstehbar.  Auch bei dieser Vorführung lässt sich der OB gerne einbeziehen.

Mit dem Kontakt zu der von Viktoria Matthes betreuten Gruppe aus einem Schüler und vier Schülerinnen, die sich mit dem Thema “Parkettierung” der Ebene beschäftigen, erlebt der Oberbürgermeister, eine Form der Nutzung der Mathothek, die jeden Beobachter und Beobachterin mit ihrer Begeisterung ansteckt. Viktoria ist eine der Schülerinnen und Schüler, die im Rahmen der Mittagspause und der Mittagsbetreuung von der Schule engagiert werden. Die in der Mathothek eingesetzten Schüler und Schülerinnen machen nach meinen Beobachtungen in der Mathothek eine in jeder Hinsicht vorbildliche Arbeit.

Auch nach dieser letzten Station verließen der OB und sein Begleiter keinesfalls “fluchtartig” die Mathothek, sondern schauten im Flur noch die zahlreichen Fotos zum Thema “Mathematik auf Schritt und Tritt – Mathematische Rundgänge durch Wiesbaden und Mainz” an. Eine “Sehschule für Mathematisches im Alltag und der nahen Umgebung”. Die Jüngsten experimentierten zum Abschied noch mit viel Spaß mit der Herstellung fantastischer Seifenhäute.

So endete der Besuch mit zeitlicher Überziehung – die wohl nicht unbedingt auf Desinteresse und Langeweile zurückzuführen sein wird – als erste der für 2020 geplanten Veranstaltungen. Mit Mut und Spaß werden hoffentlich auch die anderen geplanten Aktionen nachgeholt werden. Zwei wichtige Ergänzungen sind noch zu machen: Auch die Schulleiterin hat eines ihrer “Lieblingsexponate” vorgeführt. Weiß sie doch, dass die Mathothek ein einmaliger Lernort und ein Aushängeschild ihrer Schule ist. Last but not least: Selber auf keinem Bild zu sehen, sind doch alle so informativen Fotos von ihr, Dr. Maren Knoche. Schon seit einigen Jahren steht sie der Mathothek mit Rat und Fotoausrüstung als Elternteil zur Seite. So dürfte sie diejenige sein, die nach mir den besten Über- und Einblick in die Fülle der Mathothek besitzt.

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