Zufall oder Strategie? – Mühlespiel, Domino und „Mensch ärgere dich nicht!“

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In der Regel geht es bei Brettspielen und verwandten Spielen darum – ähnlich wie bei Sportspielen und Turnieren – zu gewinnen bzw. zu verlieren oder auch um ein Unentschieden. Dabei gibt es ein festgelegtes Regelwerk darüber, was erlaubt bzw. verboten und was das Ziel des Spieles ist. Dadurch wird durch solche Spiele die Kultur des fairen Umgangs der Menschen mit ihren oft entgegengesetzten Interessen „spielend“ trainiert. Je nach Art der Spiele wird über Sieg oder Niederlage einerseits durch Zufall, also Glück oder Pech für den Spieler, oder durch die logischen und strategischen Fähigkeiten des Spielers entschieden.

An drei klassischen Spielen, die in der Mathothek zur Verfügung stehen, soll dies exemplarisch gezeigt werden:

Eines der bekanntesten Spiele, bei denen nur der Zufall regiert, ist das „Mensch ärgere Dich nicht!“-Spiel. Beim Dominospiel spielt der Zufall nur bei der Verteilung der Steine zu Anfang der Spielrunde und die evtl. Entnahme von Steinen aus dem Talon (dem aus der Verteilung übriggebliebenen Rest) eine Rolle, der übrige Spielverlauf beruht auf mathematischen und logischen Überlegungen. Viele NIM-Spiele sind vollständig analysiert und es ist für sie eine sichere Gewinnstrategie für den ersten oder zweiten Spieler bekannt. Die großen Spiele, wie Schach oder Go, sind strategische, aber höchst komplexe Spiele.

Wohl kaum ein Kind hat die Macht des Zufalls so ohnmächtig erlebt – Gott sei Dank nur im Spiel! – wie beim Warten auf seine erste Sechs, um endlich nach bereits mehreren Runden der anderen ins Spiel einsteigen zu können. Aber auch bei der Erwartung der passenden Augenzahl, um am Ende der glücklich geschafften Runde seine Figur in Sicherheit zu bringen, kann der Zufall noch einmal grausam zuschlagen, indem ein zufälliger Verfolger mit seiner zufällig gewürfelten Augenzahl einem die Tour vermasselt und zu einer neuen Runde zwingt.

Ein besonders interessantes und überzeugendes reines Glücksspiel ist in der Mathothek das Entropie-Spiel. Es ist aber auch ein sehr anschauliches Experiment, um sich dem schwierigen Begriff der Entropie zu nähern:

Der Grundgedanke dabei ist, dass die anfangs nur mit 8×8 grünen Chips belegten Plätze des Spielbretts durch Werfen mit zwei Oktaeder-Würfeln durch schwarze Chips ausgetauscht werden, allerdings muss ein schwarzer Chip auch wieder in einen grünen umgetauscht werden, wenn die Koordinaten seines Feldes erwürfelt wurden. Man beobachtet dabei verständlicherweise, dass zunächst fast nur die Menge der schwarzen Chips zunimmt. Dann aber pendelt das Bild um ein mehr oder weniger genaues „Fifty-Fifty-Verhältnis“. Mehr zu den Spielregeln und dem Zusammenhang mit der Physik findet sich in einem entsprechenden Artikel im Katalog der Mathothek.

Das so „lehrreiche“ Entropiespiel wird zum Ende hin, durch den reinen und unbeeinflussbaren Zufall, so spannend und unvorhersehbar wie bei allen reinen Glücksspielen.

Wem das Spielen mit dem Zufall nicht besonders liegt, der vor allem Pech als persönliches Versagen empfindet, wird sich wohl eher bei einem strategischen Spiel zu Hause fühlen, d.h. wo er es mit solchen Spielregeln zu tun hat, bei denen er davon überzeugt ist, dass sein voraussehender Blick und sein logisch-strategisches Verhalten ihm eine bessere und sicherere Chance garantieren.

Das Dominospiel stellt hier einen beispielhaften Kompromiss dar: Nur die Verteilung der Steine beim Start ist reiner Zufall, alles andere beruht auf mathematisch-logischen Überlegungen der Spieler.

In der Mathothek stehen ein Dominospiel mit 55 Steinen und eines mit 21 Steinen zur Verfügung:

Das Dominospiel im Holzkästchen besitzt 55 schwarze Spielsteine mit weißen Punkten, die die Zahlen von null bis neun darstellen:

In dem schwarzen Köfferchen befindet sich ein besonders edel gestaltetes Domino mit 28 elfenbeinfarbenen Steinen, auf denen die Zahlen von null bis sechs als schwarze Punkte dargestellt sind:

Bei allen Dominospielen sind die Steine in zwei quadratische Felder geteilt, die alle möglichen Zahlenpaare enthalten:

Da es bei diesem kleineren Dominospiel um die Zahlen von 0 bis 6 geht, sind hier genau 28 Kombinationen möglich, die sich in dieser Form übersichtlich zu einem Dreieck anordnen lassen:

Es ist selbstverständlich, dass die beiden Zahlenpaare (5/6) und (6/5) demselben Dominostein entsprechen, was sich in der Symmetrie der zu diesem Zahlenpaar gehörigen Steine widerspiegelt. Insgesamt sind 56 (=7×8) solche unterscheidbaren Zahlenpaare möglich, also ergeben sich wegen der Drehsymmetrie genau 28=(56:2) Dominopaare. Dieses Ergebnis lässt sich auch sehr anschaulich herleiten, indem man die oben links dargestellte Anordnung der Dominosteine um 180° dreht und mit der gegebenen Anordnung zu einem Rechteck zusammensetzt.

Nach der höchsten Augenzahl im Spiel unterscheidet man Doppel-6er, Doppel-9er, Doppel-12er, Doppel-15er und Doppel-18er Dominosets. Die beiden Dominoexemplare in der Mathothek sind also ein Doppel-6er bzw. ein Doppel-9er. Mit den gleichen Argumenten – wie oben bei dem Doppel-6er – ergeben sich die folgenden Anzahlen von Dominosteinen:

Doppler-9er: (10×11):2=55

Doppler-12er: (13×14):2=91

Doppler-15er: (16×17):2=136

Doppler-18er:(19×20):2=190

Für Dominospiele findet man mehrere verschiedene Varianten von Spielregeln. Es gibt keine einheitlichen, allgemein gültigen und verbindlichen Spielregeln, sondern es sind sehr viele Varianten und Kombinationen verbreitet. Die folgenden Regeln sind ein Beispiel:

Zu Beginn des Spieles werden die Steine mit der Augenangabe nach unten auf den Tisch gelegt und gut gemischt. Anschließend werden die Steine gleichmäßig an die Spieler verteilt. Der nicht mehr verteilbare Rest bleibt als Stock oder Talon liegen. Wer den Nullstein besitzt, beginnt. Sollte der Nullstein im Stock liegen, so beginnt der Teilnehmer mit dem niedrigsten Doppelstein {(1/1), (2/2), usw. }. Reihum müssen von den Spielern stets Steine mit gleichen Halbfeldern angelegt werden, und zwar so lange sie passende Steine haben. Kann ein Spieler, wenn er an der Reihe ist, keinen passenden Stein legen, so muss er einen Stein aus dem Talon nehmen. Gewonnen hat derjenige Spieler, der zuerst alle seine Steine ablegen konnte.

Das „Dominospielen“ lädt somit die Spieler dazu ein, sich kreativ mit Spielregeln auseinanderzusetzen und sich dann auf faire Regeln zu einigen.

Spielstand bei drei Spielern mit noch je vier Steinen und fünf Steinen im Talon.

Viele jüngere und ältere Menschen verbinden mit Dominosteinen wohl auf Anhieb ihre massenhafte Verwendung bei Wettbewerben, bei denen es darum geht, diese so hintereinander aufzureihen, dass durch das Umwerfen des ersten Dominosteins eine Kettenreaktion ausgelöst wird, bei der der Reihe nach alle anderen Steine ebenfalls umfallen. In der Mathothek gibt es dafür eine besonders große Menge an einfachen Plastiksteinen in Form von üblichen Dominosteinen und eine batteriebetriebene „Aufstellmaschine“:

Dieses Exponat der Mathothek dient aber in erster Linie dazu, das großartige mathematische Prinzip der vollständigen Induktion zu veranschaulichen. Mithilfe dieses Prinzips lassen sich viele Aussagen über die unendliche Menge der Natürlichen Zahlen logisch einwandfrei beweisen.

Das sehr bekannte und weitverbreitete Mühlespiel ist ein Brettspiel für zwei Personen. Dabei besteht das Spielbrett aus drei symmetrisch ineinander liegenden Quadraten und die drei Mittelpunkte der jeweils parallelen Seiten sind jeweils durch eine Linie verbunden. Meistens werden als Spielfiguren neun schwarze und neun weiße flache, runde Spielsteine verwendet.

Das Mühlespiel besteht aus drei Phasen:

Setzphase: Als Erstes setzen die beiden Spieler abwechselnd je einen ihrer insgesamt neun Steinen auf einen der Kreuzungs- oder Eckpunkte.

Zugphase: Nachdem alle Steine gesetzt worden sind, darf jeder der beiden Spieler einen seiner Steine auf einen benachbarten freien Punkt bewegen. Kann ein Spieler keinen seiner Steine bewegen, so hat er das Spiel verloren.

Endphase: Hat einer der beiden Spieler nur noch drei Steine, so darf er, wenn er an der Reihe ist, mit einem beliebigen seiner restlichen Steinen auf einen beliebigen freien Punkt springen. Verliert er einen weiteren Stein, so hat er das Spiel verloren.

Eine „Mühle“ nennt man eine Konfiguration, die aus drei farbgleichen Steinen besteht, die nebeneinander und in gerader Linie liegen. Beim normalen Mühlespiel sind die Ecken der drei Quadrate nicht verbunden und somit lässt sich mit ihnen auch keine Mühle bauen:

Schließt ein Spieler eine Mühle, so darf er einen beliebigen Stein seines Gegners aus dem Spiel nehmen, sofern dieser kein Bestandteil einer Mühle ist. Die offiziellen Turnierregeln erlauben allerdings seit 2010 auch diese Art des Schlagens, aber auch nur dann, wenn sich alle Steine des Gegners in geschlossenen Mühlen befinden.

Mühle ist ein vom Zufall freies Spiel, bei dem beide Spieler stets hinsichtlich des bisherigen Spielgeschehens auf dem gleichen Informationsstand sind. Falls keiner der beiden Spieler einen Fehler macht, endet jedes Spiel remis, d.h. unentschieden. Ob man anfängt oder Zweiter ist, macht hinsichtlich Gewinnen oder Verlieren keinen Unterschied.

Eine bestimmte Strategie, die Doppel- oder Zwickmühle, ist besonders erfolgreich und der Begriff sogar in die Alltagssprache eingegangen als Begriff für eine ausweglose Situation, in die jemand geraden ist. Hier sind Beispiele für solche Zwickmühlen (schwarze Steine):

Besonders raffiniert ist eine doppelte Zwickmühle, wenn Weiß sich in der Endphase befindet und springen kann. Mit seinem nächsten Sprung kann Weiß dann nur eine Möglichkeit verhindern, dass Schwarz eine Mühle schließen kann. Allerdings dürfte es sehr schwer sein, eine solche doppelte Zwickmühle aufzubauen, ohne dass der Gegner „den Braten riecht“ und den Plan torpediert:

Natürlich gibt es beim Mühlespiel wesentlich weniger Spielvarianten als beispielsweise beim Schach oder Go. Immerhin gibt es bei Mühle rund 1,8⋅1010=18,000.000,000 unterschiedliche, d.h. nicht durch Drehungen, Spiegelungen usw. ineinander überführbare Stellungen.

Wie alt das Mühlespiel wirklich ist, lässt sich schwer sicher belegen. Tatsächlich wurden Zeichnungen der Spielfigur bereits im antiken Ägypten, z.B. auf Steinplatten, und noch früher in Höhlen und an senkrechten Wänden gefunden, sodass man von einem magisch-symbolischen Ursprung dieser Figur ausgeht. Tatsächlich ist nicht sicher bekannt, ob das große Mühlespiel (drei Quadrate) bereits im antiken Rom bekannt war.

 

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