Prioritätenliste und irrelevante Geschehnisse – Was ist, wenn „Sauerbraten aus ist“?

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Ein kleiner Betrieb möchte einen Ausflug machen und gemeinsam zum Essen kurz einkehren. Im Vorfeld hat der Sekretär der Chefin mit den Beteiligten vereinbart, eine Prioritätenliste zu machen und drei akzeptierte Gerichte (Kalbsnierenbraten (A), Wiener Schnitzel (B) und Sauerbraten (C)) nach Vorliebe mit eins, zwei oder drei zu bezeichnen. Kurz nach der Ankunft heißt es, dass „Sauerbraten“ aus einem technischen Grund nicht vorhanden ist. Für eine neue Umfrage ist keine Zeit. Die Chefin weist ihren Sekretär an, auf der Prioritätenliste Sauerbraten zu streichen und dann erneut nach dem von der Mehrheit bevorzugten Angebot zu entscheiden. Die Gruppe ist nun sehr überrascht, dass die Entscheidung für „Wiener Schnitzel fällt“; denn lange vorher war bekannt geworden, dass der „Kalbsnierenbraten“ das Rennen in der Umfrage gemacht hatte. Kann so ein Fall,  durch so eine in der Sache doch eigentlich irrelevante Ursache bedingt, wirklich eintreten?

Hier die genaue Information zur Umfrage:

  • Für ABC: 8
  • Für BCA: 11
  • Für BCA:  6
  • Für ACB: 12
  • Für CBA:  7

Danach hätte es 20 Stimmen für A (Kalbsnierenbraten), 17 für B (Wiener Schnitzel und 7 für C (Sauerbraten) gegeben.

Nach dem C für Sauerbraten gestrichen worden war, sah es so aus:

Für A stimmten 20 und für B stimmten 24, und damit lag die Mehrheit bei B, dem Wiener Schnitzel.

Dieses Experiment lässt sich durch ein Exponat in der Mathothek einfach nachstellen. Dazu gibt es vorbereitete Kärtchen mit allen sechs Permutationen von ABC: ABC, ACB, BAC, BCA, CAB, CBA. Damit gibt es für jede mögliche Prioritätenliste mit den drei Wahlmöglichkeiten entsprechende Kärtchen, um eine genügend große Gruppe von Teilnehmern wählen zu lassen. Nach der Wahl werden die abgegebenen Kärtchen ausgezählt und die Anzahl der Erstplatzierten für A, B bzw. C ermittelt. Anschließend an die Ermittlung des Ergebnisses wird bekannt gegeben, welche der drei Alternativen aus welchem Grund ausfällt. Ohne eine neue Abstimmung durchzuführen, wird dieser Vorschlag gestrichen und in der neuen auf zwei Alternativen reduzierten Prioritätenliste der neue Sieger ermittelt. Das Ergebnis kann dann sehr überraschend ausfallen, so z.B. im eingangs geschilderten Beispiel.

Hier sind einige Anregungen für ein solches Experiment. Auf der Vorderseite sind die drei verschiedenen Wahlmöglichkeiten beschrieben. Auf der Rückseite befindet sich der zu streichende Fall mit Begründung.

  • Studienfahrt in der Oberstufe: A=Amsterdam, B=Berlin und C=Florenz
  • Einrichtung eines Leistungskurses: A=Musik, B=Kunst und C=Sport
  • Ein gemeinsames Geschenk soll beschafft werden: A= Aufwändiger Blumenstrauß, B=Besonderes Buch und C=Eintrittskarte für ein Popkonzert
  •  Gestaltung eines Wandertages: A=Wanderung mit Spuren legen  , B=Kletterwand und C=Besuch im Filmmuseum

Hier ist ein Beispiel für einen der vier Vorschläge, nämlich die Umfrage einer Schulleitung, die nur einen weiteren Leistungskurs einführen kann. Um eine Entscheidung treffen zu können, bittet sie die betroffenen Schüler um eine Wunschliste mit einer ihren Wünschen entsprechenden Priorität. Kurz vor ihrer Entscheidung erfährt die Schulleitung, dass der Musiklehrer für einen längeren Zeitraum wegen Krankheit ausfällt.

So sehen Vorder- und Rückseite der Karte zur Entscheidung über die Einführung eines zusätzlichen Leistungskurses aus:

Die mitmachende Gruppe sollte nicht zu klein sein. Die Entscheidung über die Reihenfolge sollte individuell und ohne gegenseitige Beeinflussung (geheim) erfolgen.

Es gibt Parallelen, aber große Unterschiede zwischen dem hier geschilderten Verfahren der Entscheidung mithilfe von Prioritätenlisten und der Mehrheitswahl in einem Wahlkreis, der direkten Wahl eines Bürgermeisters oder Oberbürgermeisters. Zwar werden in diesen Fällen auch viele Wähler eine eigene Prioritätenliste machen, aber bei einer  neuen Kandidatenliste (ein Kandidat zieht seine Kandidatur zurück, es kommt zu einer Stichwahl) können sie neue relevante Überlegungen anstellen. Insofern ist die Wahl ohne verbindliche Prioritätenlisten nicht besonders demokratisch und weniger von in der Sache irrelevanten Gründen beeinflussbar.

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