Goldener Schnitt – Proportionen und Harmonie in der Malerei

Du befindest dich hier:

Das sehr beliebte Bild Das  Mädchen mit der Taube (1901), ist ein Schlüsselwerk von Pablo Picasso, einem spanischen Maler, Grafiker und Bildhauer, der von 1881 bis 1976 lebte, davon die meiste Zeit in Frankreich. Er war ein äußerst produktiver Künstler und Mitbegründer des Kubismus.

Es fällt auf und verwundert nicht, dass das Mädchen nicht die Symmetrieachse des Bildes bildet, das wäre langweilig, würde die Aussage des Bildes nicht befördern und auch die Aufmerksamkeit des Betrachters nicht besonders erregen. Hier geht es um die Aufteilung der Höhe und Breite des Bildes im Verhältnis des goldenen Schnitts, d.h. die Höhe des Bildes ist durch eine gedachte  waagrechte Linie so geteilt, dass der obere kürzere Teil (=Minor) sich zum unteren längeren Teil (=Major) verhält wie der längere Teil zur gesamten Bildhöhe. Diese Linie ist im Kunstdruck goldfarben eingezeichnet. Die zweite goldfarbene Linie ist senkrecht eingezeichnet und teilt die Breite des Bildes im goldenen Schnitt. Dabei ist links die längere Strecke und rechts die kürzere. Ferner fällt auf, dass die senkrechte Linie durch das Gesicht, die Taube in den beiden Händen und das gesamte Mädchen verläuft. Dadurch wird der zentrale Gegenstand und die Aussage des Bildes betont und hervorgehoben. Es wird die sinnliche Seite aufgezeigt, denn diese Linie verbindet Augen, Nase und Mund des Mädchens mit dem zwischen seinen mitfühlenden Händen geschützten Tier. Die waagrechte Linie betont dies noch, indem sie durch die bewahrenden Hände, den oberen Körper – und somit durch das Herz des Mädchens verläuft. Der große bunte Ball im großen unteren Rechteck balanciert die Bildkomposition aus, ist aber für das mitfühlende Mädchen im Moment nicht interessant.

Links ein weiteres Bild von Pablo Picasso. Auch hier betonen die Linien des goldenen Schnitts das innige, liebend bergende Verhältnis der Mutter zu ihrem Kind. Sie weisen auch hier auf die enge sinnliche Verbundenheit von Mutter und Kind. Auch in diesem Bild tragen die Linien des goldenen Schnitts zur harmonischen Aufteilung der gesamten Komposition bei. Das große Rechteck umfasst den Starken Arm und den nährenden Oberkörper der Mutter.

Das rechte Bild zeigt ein Gemälde Mutter und Kind von Marc Chagall, einem berühmten russischen Maler des Surrealismus. Auch hier hebt die Einteilung des Bildes im goldenen Schnitt die innige Beziehung von Mutter und Kind hervor, rückt sie sogar in den himmlisch-göttlichen Bereich. Dagegen füllt das Tier im großen unteren Rechteck mit dem animalischen Moment aus.

Bei diesem Bild Triumph der Galatea (1511) von Raffaello Santi trennt die Teilung der Höhe des Bildes im goldenen Schnitt deutlich den irdischen Bereich von den himmlischen Gefilden.

Bei einer Reproduktion oder andersartigen Abbildung eines Originals müssen nicht immer die Maße des Bildes mit denen des Originals übereinstimmen und somit die Beziehungen des goldenen Schnitts nicht gleich sein. Auf dem rechten Bild Verkündigung (Detail) Fra Filippo (um 1450) spielt das aber keine Rolle, weil der Hinweis auf den goldenen Schnitt sich auf einen Ausschnitt bezieht. Teilt man die Höhe des knienden Engels im goldenen Schnitt, so liegt der Schnittpunkt auf der Hand, die das Herz des Engels bedeckt.

Das Bild Die Sixtinische Madonna (1513) von Raffaello Santi ist den meisten Menschen nicht unbekannt. Auch hier scheinen der goldene Schnitt von Höhe und Breite seine Aufgaben zu erfüllen. Die senkrechte Linie zeigt, dass hier das göttliche Kind im „Zentrum“ ist. Es befindet sich ganz oberhalb der waagrechten Linie. Maria, die es zur Welt brachte, teilt mit Herz und Oberkörper diese himmlische Sphäre. Dagegen befinden sich die beiden Menschen unterhalb der Trennlinie, zumindest fast. Nur mit einem Wenigen ihrer Köpfe reichen sie in die überirdische Sphäre: Sie haben einige Kenntnisse, gehören aber nicht dazu, noch nicht.

Auf dieser Abbildung aus dem Deckengemälde von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle ist die Benutzung des goldenen Schnittes besonderes überzeugend. Der entscheidende Augenblick bei der Erschaffung des ersten Menschen berührt der Leben spendende Finger Gottes den Finger Adams im Schnittpunkt der senkrechten mit der waagrechten Teilungslinie des Bildes im goldenen Schnitt. Dass sich die Hand und der Kopf Adams im oberen Rechteck befinden, mag durchaus ein Hinweis darauf sein auf das Göttliche des Menschen: seine Schöpferkraft.

Um eine „irdische Madonna“ handelt es sich bei dem Bild der Mona Lisa (La Gioconda) von Leonardo da Vinci, das dieser 1503 gemalt hat und mit diesem geheimnisvollen Lächeln der Welt Rätsel aufgibt.

Dieses Exponat der Mathothek kann angefasst werden. Auf der Folie sind schwarze Linien eingezeichnet, die mit dem goldenen Schnitt zu tun haben. Es handelt sich um etliche goldene Dreiecke, die mithilfe des orangefarbenen Zirkels sich leicht herausfinden lassen. Ein Dreieck ist ein goldenes Dreieck, wenn es gleichschenklig ist und Grundseite und Schenkel im Verhältnis des goldenen Schnitts stehen. Die goldenen Dreiecke in dem Bild der Mona Lisa kann man dann einfach herausfinden, indem man die Folie auf das Bild legt  Auffällig ist dabei, dass schon auf den ersten Blick zu sehen ist, dass sich in ihrem linken Auge drei Linien schneiden. Viel Spaß beim Entdecken.

Noch zwei Beispiele zu Malerei und goldenem Schnitt:

Links: Edward Hopper: Ground Swell, 1939

Rechts: Max Ernst: Humboldt-Strom, um 1950

In der Mathothek gibt es weitere Möglichkeiten, mit dem Zirkel goldene Schnitte auf Kunstkarten usw. aufzusuchen:

Einen interessanten Beitrag zur Mathematik hat der Künstler Jo Niemeyer  mit seinen Bildern zum goldenen Schnitt geleistet: Er hat eine eigene interessante Konstruktion des goldenen Schnitts geliefert und mehrfach künstlerisch verwandt. Die beiden Objekte unten sind in der Mathothek nachempfunden und hergestellt worden.

Ein passendes Objekt aus übrig gebliebenen Teilen eines  Metallbaukastens.

Die Objekte der Mathothek zum Thema Malerei sind nicht gezielt aus bestimmten Epochen ausgewählt worden. Dass Beispiele aus der Renaissance und der klassischen Moderne hier dominieren, ist allerdings kein Zufall, weil der goldene Schnitt in der Malerei dieser Kunstepochen besonders oft verwandt wurde.

Kreidefelsen auf Rügen – Blick eines „romantischen“ Mathematikers auf ein Bild

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

3 × fünf =