Die Obsthändler wussten es schon immer – Die Mathematiker konnten es nur nicht beweisen

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Wer auf dem Markt oder in einem Laden Äpfel, Orangen oder andere runde Obstsorten sucht, findet sie meist sehr regelmäßig in Schichten aufgestapelt, wobei jede Kugel sechs Kugeln derselben Schicht berührt. Diese Raumerfüllung ist auch noch sehr stabil und dicht, d.h. mit wenig Zwischenraum. Diese Art des Obststapelns ist schon immer und überall bekannt und üblich.  

In der Ebene entsprechen den Äpfeln oder Orangen, also den gleich großen Kugeln im Raum, z.B. gleiche Münzen oder allgemein Kreise mit demselben Durchmesser. Sehr schnell stellt man fest, dass sich drei Centstücke nicht platzsparender nebeneinander legen lassen als in der Form eines Kleeblattes. Sechs und nicht mehr gleich große Münzen können sich um eine ebenso große  Münze drängeln. Das ist alles selbstverständlich und schön. Man spricht daher auch von der Kusszahl gleich großer Kreise in der Ebene. Tatsächlich hat der amerikanische Mathematiker Thomas Hales bewiesen, dass es auch bei noch größerer Liebe enger, d.h. platzsparender nicht geht. Logisch und ohne Hilfsmittel hat er bewiesen, dass diese honigwabenartige Anordnung die sparsamste Packung gleich großer Kreise in der Ebene darstellt.

Ein kleines Exponat der Mathothek führt diese Tatsache noch einmal vor Augen: In einem Rechteck befinden sich 24 Ein-Cent-Stücke, die in einem rechtwinkligen Gitter angeordnet sind. Die Aufgabe lautet nun, den einen Cent, der sich noch außerhalb des Kästchens befindet, auch noch in dem Kästchen unterzubringen. Mit dem Wissen über die dichteste Packung ist das dann kein Problem mehr.

Aber im Raum ist die Sache mit den gleich großen Kugeln nicht so schön. Gut, fängt man hier mit vier Kugeln an, dann ist noch alles klar:

Auch mit den Kugeln in der Ebene geht es noch klar:

Ein kleines Experiment mit sieben runden Farbstiften und einem Gummiring deutet in dieselbe Richtung:

Selbst bei den in einem Glas „eingeweckten gleich großen Holzperlen“ lässt sich eine starke Tendenz zur regelmäßigen sechsstrahligen (hexagonalen) Anordnung beobachten. Sehr schön lässt sich das auch bei einem weiteren Exponat der Mathothek verfolgen:

Auf dem oberen Bild herrscht noch ein ziemliches Chaos unter den gleich großen Glaskugeln zwischen den beiden Plexiglasplatten. Durch etwas Schütteln stellt sich aber nach einiger Zeit eine wabenartige Anordnung her, die sehr stabil ist. Nicht ganz überraschend bei einer einzigen Schicht von Kugeln. Aber inzwischen gibt es ein neues Experiment in der Mathothek, bei dem es nicht nur um eine Kugelschicht geht und das ebenso einfach wie überzeugend ist:

In dieser lila Kiste sind eine große Menge gleicher Glaskugeln. Sie sind zunächst in einem ziemlich chaotischen Zustand und nehmen viel des Raumes ein. Aber nach einigem Rütteln nimmt der Raum, den die Kugeln in der nicht geöffneten Kiste einnehmen, deutlich ab und die Ordnung der Kugeln stark zu:

Fragen wir uns auch bei der dichtesten Packung gleich großer Kugeln im Raum: Was ist mit der Liebe, was ist mit der Kusszahl gleich großer Kugeln?

Ab jetzt ist es nicht mehr so harmonisch wie in der Ebene. Dass die Kusszahl diesmal 12 ist – besser als die Unglückszahl 13 – wäre ja noch gut zu akzeptieren, aber dass noch freier Raum um die geliebte Mitte ist, der leider nicht für eine weitere gleich große Kugel ausreicht, verwundert und stört auf der Suche nach der dichtesten räumlichen Kugelpackung. Die Kusszahl im Raum ergibt sich aus den sechs berührenden Kugeln in derselben Schicht und je drei weiteren berührenden Kugeln in der darunter liegenden und darüber liegenden Schicht. Verbindet man die Mittelpunkte der die zentrale Kugel küssenden Kugeln, so erhält man einen archimedischen Körper – Kuboktaeder – mit vier gleichseitigen Dreiecken und sechs Quadraten als begrenzenden Flächen. Dieser Körper ist geeignet, wenn man ihn entsprechend vervielfältigt, den gesamten Raum zu füllen. So wie es auch mit einem Würfel möglich ist.

Erst 1998 konnte der amerikanische Mathematiker Thomas Hales beweisen, dass bei dieser flächenzentrierten und hexagonalen Packung von unendlich vielen gleich großen Kugeln der leere Zwischenraum minimal ist. Die Vermutung hatte schon Johannes Kepler im Jahre 1611 gehabt. Er konnte sie aber nicht beweisen. 400 Jahre lang wussten es nur die Obsthändler, aber es gab keinen allgemeinen Beweis für Keplers Vermutung. Hales hat in seinem Beweis gezeigt, dass bei der dichtesten Kugelpackung der erfüllte Raum ca. 74% ausmacht. Allerdings gibt es viele Mathematiker, die Hales Beweis nicht akzeptieren, weil er ihn mit dem Einsatz von Computern erbracht hat.

Ein kleines Experiment mit dieser dichtesten Kugelpackung ist mit folgendem Exponat der Mathothek möglich. In einen Würfel aus Plexiglas können 13 gleich große Kugeln gepackt werden, aber es haben auch 13+1 Kugeln darin Platz. Dieses Experiment kann mit einzelnen gleich großen Kugeln durchgeführt werden. Aber die Herausforderung kann auch als Knobelspiel gelöst werden, bei dem die Kugeln teilweise zusammenhängen:

Eine andere Art von Kugelpackung ist die kubische primitive Gitter:

Sie ist nicht so dicht wie die hexagonale. Bei dieser Packungsweise ist nur 52% des Raumes mit Kugeln ausgefüllt. Jede Kugel wird nur von sechs Kugeln direkt berührt. Verbindet man hier die Mittelpunkte benachbarter Kugeln, so erhält man einen Würfel und insgesamt ein Würfelgitter.

Die Frage nach Kugelpackungen und Raumerfüllung spielen bei der Untersuchung von Kristallen in der Chemie und Kristallografie eine große Rolle, aber auch in der Werkstoffkunde.

In der Mathothek gibt es ein weiteres Exponat zum Experimentieren zum Thema „Kugelpackungen“. In der Holzkiste befinden sich verschiedene Holzkugeln. Von diesen sind sehr viele wie Schaschlikspieße gestaltet. So lassen sich verschiedene Stapelungen von Kugeln gut untersuchen, ohne dass die Kugeln wegrollen können.

Hier einige Bilder zu verschiedenen Packungen gleich großer Kugeln:

 Mit den einzelnen großen Holzkugeln lassen spielerisch auch Typen von Kugelpackungen im Detail darstellen:

In einem weiteren Kästchen befinden sich weitere gleich große Holzkugeln, die durchbohrt sind und aus Messing bestehende Verbindungsstücke. Mit ihnen kann man jede kleinere Anzahl Kugeln mit geringstem Raumverbrauch in Dreiecksform anordnen: 

In der Mathothek gibt es eine ganze Reihe von Knobeleien – beispielsweise Pharao’s Last Ball – bei denen die dichteste Kugelpackung zugrunde liegt.

Die „Spielerei“ mit den verschiedenen Möglichkeiten, gleich große Kugeln zu packen, hat auch in anderen Bereichen außerhalb der Mathematik Bedeutung, z.B. in der Chemie und im Transportwesen. Ist die Frage nach der dichtesten Kugelpackung doch im Zusammenhang mit der Suche der optimalen Kanonenlagerung auf Schiffen aufgetreten.

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