Möbiusband – Fläche mit nur einer Seite und nur einem Rand

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Ein Möbiusband  ist eine Fläche, die nur eine Kante und eine Seite besitzt. Sie ist nicht orientierbar, das heißt, man kann nicht zwischen unten und oben oder zwischen innen und außen unterscheiden.
Es wurde im Jahr 1858 unabhängig voneinander von dem Göttinger Mathematiker und Physiker Johann Benedict Listing und dem Leipziger Mathematiker und Astronomen August Ferdinand Möbius beschrieben.

Die einfachste Möglichkeit, ein Möbiusband herzustellen, zeigt der rote Strickschal. Als Erstes wurde ein Rechteck aus dicker Wolle gestrickt. Anschließend wurden die beiden schmalen Ränder zusammengenäht, nachdem eine der kurzen Kanten um 180° gedreht wurde. Ohne diese Drehung würde man einen verformbaren Zylinder erhalten.

So ein Möbiusband ist leicht aus Papier herzustellen, indem man z.B. einen längeren Streifen Papier (Rechteck) mit beiden Enden ringförmig zusammenklebt, ein Ende wird dabei vor dem Zusammenkleben um 180° gedreht.

Seit einiger Zeit sind solche geschlossenen Halstücher stark „in“, sogenannte Loops. Um festzustellen, ob es sich bei einem Wollschal wirklich um ein Möbiusband handelt oder doch nur um einen Zylinder, muss man ihn schon in die Hand nehmen und überprüfen, ob er eine oder zwei Seiten bzw. einen oder zwei Ränder besitzt.

Im Gegensatz zu diesem roten Strickschal gibt es bei dem gehäkelten hell-dunkel-blauen Möbiusschal keine Naht zu entdecken – weil es keine Naht gibt. Hier wurde eine Anzahl Luftmaschen zu einem Ring geschlossen und nach der ersten Runde fester Maschen die Seite gewechselt und dort Festmaschen gehäkelt. Nach Beendigung dieser Runde läuft die Sache „ad libitum“ (nach Belieben).

Dass ein Möbiusband nur einen Rand besitzt, lässt sich gut mit dem Möbius-Kreisel beobachten. Der mit einer magnetischen Achse ausgestattete Kreisel hat zwei verschiedenfarbige Seiten. Wird er mit dieser Achse auf den Metallschienen in Bewegung gesetzt, so wechselt er regelmäßig seine Farben, ohne dass er dazu abgenommen und neu angesetzt werden müsste.

Die Nichtorientierbarkeit ist besonders gut bei dem gelben Möbiusband mit dem schwarzen Fenster zu erfahren. Dieses Fenster lässt sich auf dem Möbiusband zwar beliebig verschieben, aber nicht abnehmen – ohne Band oder Fenster zu zerstören. Obwohl ein roter Punkt genau gegenüber einem schwarzen Punkt aufgeklebt wurde – man stelle sich vor, dass das bereits vor dem Zusammenbau auf dem gelben Streifen geschah – wechseln sich beim Durchschieben des gelben Möbiusbandes schwarzer und roter Punkt regelmäßig im Fenster ab.

Einige Objekte sind Möbiusbänder mit Reißverschlüssen. Mit ihnen lässt sich erfahren, was passiert, wenn man einen Zylinder oder ein Möbiusband in seiner Mitte in Längsrichtung aufschneidet.

Dass es beim Möbiusband nur eine Seite gibt, lässt sich auch sehr gut durch einen Text auf dem Band zeigen und nutzen. So wurde das große Möbiusband an der Decke der Mathothek durch ein ähnliches im Frankfurter Flughafen angeregt.

Der Text lautet: HERMANN HESSE: ES MUSS AUCH SPIEL UND UNSCHULD SEIN UND BLÜTENÜBERSCHUSS, SONST WÄR DIE WELT UNS VIEL ZU KLEIN UND LEBEN KEIN GENUSS. HERMANN HESSE: DER PFIRSICHBAUM… DAS MÖBIUSBAND EIN FASZINOSUM.

Das kleinere schwarze Möbiusband mit Text enthält ein Gedicht, das selbst die Struktur des Möbiusbandes aufnimmt.

SCHÖPFUNGSMYTHOS AUF EINEM MÖBIUSBAND: Die Welt ist toll genug, dass sie der Gott gemacht, den die von ihm Geschaffenen als Gott gedacht.

Es ist von dem Amerikaner Howard Nemerov (1920 – 1991) und aus dem Englischen übersetzt worden von Alfred Schreiber, dem Herausgeber des Buches „Lob des Fünfecks – Mathematisch angehauchte Gedichte“. Darin findet man diese deutsche Übersetzung und weitere Hinweise – auch religionsgeschichtliche Ausführungen – zu dem Gedicht.

Diese drei Objekte stammen wieder aus dem 3D-Drucker. Die beiden kleinen in schwarz und weiß sind einseitige „Würfel“, egal wie immer sie fallen, liefern sie mit ihrer einzigen Seite immer die Eins.

Als Möbiusgebilde im Raum – ein Körper mit nur einer Oberfläche und damit ohne ein Drinnen und Draußen unterscheiden zu können – ist die nach dem Mathematiker Felix Klein benannte Klein’sche Flasche.

Während die Möbiusfläche ein zweidimensionales Gebilde im dreidimensionalen Raum ist, handelt es sich bei der Klein’schen Flasche um ein dreidimensionales Gebilde im vierdimensionalen Raum, was gewisse Probleme mit sich bringt (Selbstdurchdringung).

Klein’sche Flasche

Mit einem Möbiusband kann man noch viele weitere Experimente durchführen, z.B. weitere Längsteilungen und aus Holzwürfeln geleimte Möbius-„Bänder“. Ganz besonders schön sind die beiden verbundenen roten Herzen. Wie man sie herstellen kann, zeigte uns Professor Beutelspacher, Schöpfer des Mathematikums in Gießen, bei seinem Besuch 2010 in der Mathothek. Hier gibt es Hilfen zum Selbstbauen. Soviel sei schon mal verraten, dass dabei zwei nicht spiegelbildliche Möbiusbänder die Hauptrolle spielen.

Die Mathothek wächst und wächst und … . Inzwischen gibt es neue Exponate zum Thema Möbiusband. So eine einseitige Fläche, die aber zwei Ränder besitzt:

Die ausgefallene Möbius-Fläche ist weiß, schwarz ist der Hintergrund. Damit man die Besonderheit dieser Fläche besser erfahren kann, gibt es eine zweite Veranschaulichung mit Bewegungspfeilen von einem blauen Punkt auf der „einen Seite“ und zu einem grünen Punkt auf der „anderen Seite“, ohne dass man einen der beiden Ränder überqueren muss. Dabei sind die beiden Ränder rot bzw. rosa gefärbt. Durch die „verdrehte Brücke“ gelingt diese Bewegung. Dies zu verstehen, erfordert die Räumlichkeit des Objekts und ist auf dem zweidimensionalen Foto nur schwer zu erkennen.

Eine Brücke zwischen Möbiusband und der regulären Färbung einer Karte (Vierfabensatz) schlägt das folgende ebenfalls dreidimensionale Objekt:

Auch hier benötigt man zum Verständnis des Experiments eigentlich auch die dritte Dimension, sodass das zweidimensionale Foto nur mit guter räumlicher Vorstellungskraft die Besonderheit einer regulären Färbung einer Landkarte auf einem Möbiusband vermitteln kann. Von einer regulären Färbung einer Landkarte spricht man dann, wenn keine zwei Länder, die eine gemeinsame Grenze besitzen, mit derselben Farbe eingefärbt werden müssen. Unser anfassbares Beispiel zeigt, dass man dabei auf einem Möbiusband sechs Farben braucht. Dafür muss man sich das orange gefärbte Land mit seinen fünf Nachbarstaaten ansehen. Jedes der sechs Länder hat mit jedem der fünf anderen ein Stück Grenze gemeinsam.

Nachtrag: Im Jahr 2020, in dem das Corona-Virus viele Selbstverständlichkeiten auf den Kopf stellte – sogar das lebensnotwendige Klo-Papier ging in den Geschäften aus – gab es die Idee für eine neue Anwendung des Möbiusbandes:

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