Dieses Objekt erweckt zunächst keine große Aufmerksamkeit. Aber in seinem Inneren erzeugen drei gleich große rechteckige Spiegel, die zu einem Prisma mit gleichseitigem Dreieck als Grundriss zusammengefügt sind, eine nahezu unendliche Welt. Diese Faszination von dreifach gespiegeltem Ausgangsdreieck, gespiegelten „gespiegelten Dreiecken“, gespiegelten „gespiegelten gespiegelten Dreiecken“ usw. wird natürlich noch gesteigert, wenn im realen Dreieck noch Edelsteine liegen.
Dieses Exponat zeigt das Prinzip, nach dem die schönen, altmodischen Kaleidoskope funktionieren. Aus einem realen Dreieck mit realen Halbedelsteinen werden Spiegelbilder und Spiegelbilder von Spiegelbildern. Der Eindruck des Unbegrenzten, eines Netzes aus Dreiecken, das nicht zu enden scheint, entsteht. Wie bei einem klassischen Kaleidoskop schaut man mit einem Auge in die obere Öffnung des Prismas.
Das folgende Objekt erlaubt es, mit einem Auge durch ein Guckloch in das Innere des Prismas zu sehen:
Es handelt sich hier auch wieder um ein dreiseitiges Prisma, dessen Innenflächen gleich große Spiegel sind, wovon man sich mit einem Blick durch die obere Öffnung überzeugen kann. Mit dem Blick durch das kleine Guckloch lassen sich – mit leichter Veränderung der Kopfhaltung – nahezu beliebig viele Spiegelbilder, Spiegelbilder von „Spiegelbildern“, Spiegelbilder von „Spiegelbildern von Spiegelbildern“, … des realen Schlumpfs in einem Netz von gleichseitigen Dreiecken sehen.
Der reale Gegenstand lässt sich natürlich leicht austauschen.
Mit diesen beiden Exponaten lassen sich die vielen nostalgischen Kaleidoskope, die in der Mathothek in den verschiedensten Varianten vorhanden sind, besser erklären und verstehen.
„Einen Blick in die Unendlichkeit“ erlaubt noch ein weiteres Exponat der Mathothek. Es handelt sich hier auch um ein Spiegelprisma in der Form eines oben offenen Würfel, bei dem der Boden ein schwarz-weißes Kachelmuster aufweist und die vier Seitenflächen mit Spiegelflächen ausgekleidet sind. Auch bei diesem Exponat erlaubt nicht nur die fehlende Würfelfläche einen Blick von oben in das Innere, sondern auch wieder ein Guckloch auf der Vorderseite:
Der Blick durch die offene Würfelseite zeigt natürlich nicht nur den realen Inhalt, sondern auch Spiegelbilder von diesem. Diesmal aber in Form eines Netzes aus Quadraten.
Der Blick mit nur einem Auge durch das Guckloch ist wirklich faszinierend: Durch das Guckloch scheint das Innere ohne eine Begrenzung zu sein, also ein „Blick in die Unendlichkeit“. Als reales Ausgangsbild dient zunächst nur ein schwarz-weißes Kachelmuster. Jeder Besucher der Mathothek kann dann das Ausgangsquadrat mit weiteren realen Dingen gestalten.
Die Rede von der „Unendlichkeit“ ist natürlich eine aus der Begeisterung heraus zu verstehende Übertreibung, so wie wir das Wort unendlich auch sonst sehr oft im Sinne von sehr, sehr vielen benutzen. Mathematisch genauer und weniger gefährlich ist es, von einer nach oben nicht beschränkten Zahl zu sprechen. Am einfachsten können wir uns diese Formulierung anhand der natürlichen Zahlen klarmachen. Es kann keine größte natürliche Zahl geben. Würde jemand dem widersprechen, indem er diese größte Zahl x benennt, so könnte sein Gegner ihn sofort durch die Zahl x+1 widerlegen. Trotzdem ist es plausibel, dass bis heute unter allen genannten und benutzten natürlichen Zahlen eine sein muss, die größer als alle anderen ist. „Unendlichkeit“ gibt es nicht in unserer realen Welt, sondern nur durch klar definierte Sprache und strenge Logik in der Mathematik. Der unklare Gebrauch von „unendlich“ und „Unendlichkeit“ führt zu logischen Widersprüchen und Problemen. Wenn unsere Alltagsbegegnungen, wie z.B. der Blätterfall im Herbst, der Anblick der riesigen Menge Sandkörner an einem Strand oder der Sterne und wir mit dem Abzählen uns meist hoffnungslos verloren vorkommen, so suchen wir in der Formulierung „unendlich viele“ unsere Rettung. Der bessere Ausweg sind solide und wissenschaftlich begründete Abschätzungen.
Es ist weder Willkür, noch Zufall, dass bei den obigen optischen „Vervielfachungsmaschinen“ als das reale Ausgangselement ein Quadrat (regelmäßiges Viereck) oder ein regelmäßiges (gleichseitiges) Dreieck zugrunde liegt. Denn mit diesen beiden lässt sich eine Ebene vollständig pflastern oder parkettieren, d.h. ohne Überlappung und ohne Lücken unbeschränkt bedecken. Insgesamt ist eine solche Parkettierung nur mit drei regelmäßigen Vielecken möglich: Dreieck, Quadrat und Sechseck.
Man kann sich ein regelmäßiges Sechseck dabei aus sechs gleichseitigen Dreiecken zusammengesetzt denken. In der Natur weist das Wabenmuster der Bienen ein solches Netz aus regelmäßigen Sechsecken auf. Unter den vielen Kaleidoskopen der Mathothek sind bei einigen das Netz aus Sechsecken gut zu erkennen, wie das folgende Foto zeigt:
Um das Prinzip der „unendlichen Reflexion“ besser zu begreifen, gibt es in der Mathothek ein weiteres interaktives Exponat mit zwei Grundplatten und genügend kleinen kongruenten Dreiecken aus blauer Kunststofffolie:
Auf der einen Grundplatte ist ein Gitter aus gleich großen Quadraten und auf der anderen ein Netz aus gleich großen gleichseitigen Dreiecken gezeichnet. Der interessierte Besucher kann dann die Beobachtungen, die er mit den Prismen gemacht hat, verstehend nachvollziehen, indem er eine Zelle als die reale auswählt und dann durch korrekte Beachtung der optischen Gesetze das gesamte Bild der fortgesetzten Reflexionen simuliert. Die Grundplatte mit dem Netz aus gleichseitigen Dreiecken lässt sich auch als Netz aus regelmäßigen Sechsecken benutzen.
Mit diesen beiden interaktiven Exponaten kann ein Besucher den „Vorgang der unendlichen Spiegelung“ spielerisch nachbilden: Zuerst wählt man eine Zelle (Quadrat oder gleichseitiges Dreieck) aus. Diese entspricht dann der realen Zelle im Spiegelprisma. Bei der Belegung dieser Zelle mit einem kleinen blauen Dreieck besteht für die Phantasie völlige Freiheit. Mit der Entscheidung für eine Möglichkeit hört alle Freiheit auf: Ab jetzt bestimmen nur noch die Gesetze der Spiegelung das Geschehen. Jede Linie muss als Spiegel angesehen werden. So passiert es in den Spiegelprismen mit Lichtgeschwindigkeit und auf unserem Spielfeld mit menschlicher Langsamkeit: Jedes weitere niedergelegte blaue Dreieck ist nun nur noch Spiegelbild:
Mit einem neuen Start entstand folgendes Zwischenergebnis:
Es ist egal, welche belegte Zelle Du auswählst, das Zwischenergebnis ist dasselbe.
Mit der Platte, die das Netz aus gleichseitigen Dreiecken zeigt, erfolgt die Belegung nach denselben Regeln wie bei dem quadratischen Netz.
Erstes Beispiel mit Startzelle und neun weiteren „Spiegelungen“:
Zweites Beispiel mit Start und fünf bzw. fünfzehn Schritten:
Dieses Angebot ist nicht zuletzt so attraktiv, weil hier vollkommene Freiheit (beim Start) und strenge Gesetzmäßigkeit (beim Spiegeln) zu faszinierenden Ergebnissen führen. So bestätigt sich eine der grundlegenden Gesetze der Mathematik: Im ersten sind wir frei, im zweiten sind wir Knechte!
Mit dem nächsten Exponat können wir überzeugend beobachten, dass auch die Wirklichkeit hier der „Knecht mathematisch-physikalischer Gesetze“ ist:
Besser als die Kamera sehen wir mithilfe des einen blauen Dreiecks, dass das dreiseitige Prisma solche Muster (Wie oben gezeigt wurden.) mit Lichtgeschwindigkeit als „Knecht“ erzeugt. Wir können auch hier das Muster, das im Inneren des Prismas zu sehen ist, nur durch die Position des ersten (des realen) Dreiecks im Prisma bestimmen. Natürlich funktioniert die Sache auch mit dem großen blauen Dreieck, wenn man dieses in das große quadratische Prisma platziert.
Exponate mit Spiegelexperimenten sind bei jungen und alten Besuchern der Mathothek sehr beliebt und stehen ihnen in einer großen Anzahl zur Verfügung – wenn auch nicht unendlich viele – zur Verfügung. Hier einige Beispiele: