- Beispiel:
So friedlich kann es nur im Paradies zugehen: Der grün umzäunte Bereich enthält alle in der Mathothek vorhandenen gefiederten Tiere und in dem weiß umzäunten Gehege befinden sich alle zur Verfügung stehenden Haustiere. Die beiden Gehege umschließen auch einen gemeinsamen Bereich, in dem sich die gefiederten Haustiere befinden. Alle anderen zur Verfügung stehenden Tierfiguren sind weder Haustiere noch besitzen sie Federn. Sie befinden sich außerhalb der beiden Gehege.
2. Beispiel:
3. Beispiel:
Natürlich kann es auch vorkommen, dass der gemeinsame Bereich beider Gehege leer ist. Sortieren wir z.B. die vorhandenen Tiere entsprechend so ein, dass sich im grünen Gehege alle gefiederten Tiere und im weißen Bereich alle Säugetiere befinden, dann ist der gemeinsame Bereich leer:
In der Sprache der Mengenlehre handelt es sich hier um Mengen- oder Venn-Diagramme. Im ersten Beispiel bildet man zunächst die beiden Mengen A={gefiederte Tiere} und B={Haustiere} und bildet dann zu diesen die Schnittmenge A∩B={gefiederte Haustiere}. Die Schnittmenge A∩B besteht immer aus denjenigen Elementen, die in beiden Mengen vorhanden sind, die also zu beiden Mengen gehören.
Im dritten Beispiel definieren wir A={gefiederte Tiere} und B={Säugetiere} und somit ergibt sich A∩B={ }, das bedeutet, dass sich in der Schnittmenge kein Element befindet. Sie ist leer.
Nennen wir im zweiten Beispiel C={alle in der Mathothek vorhandenen Tiere}, so wäre das dann unsere Grundmenge. Die folgendermaßen geschriebene Menge C/(A∪B)={alle in der Mathothek vorhandenen Tiere ohne die Tiere, die Federn besitzen oder Haustiere sind}, das wäre dann unsere Restmenge, also alle Tiere, die sich außerhalb der beiden Gehege befinden. A∪B nennt man auch die Vereinigungsmenge der Mengen A und B. A∪B ist diejenige Menge, die alle Elemente aus A und B umfasst.
Für unseren „Mengenzoo“ gibt es weitere Kärtchen mit Vorschlägen für weitere Mengenbildungen, z.B. Pflanzenfresser und Wildtiere, Huftiere und Nutztiere, Vögel und Pflanzenfresser usw. Natürlich kann sich jeder auch selbst geeignete Kategorien ausdenken.
Unten steht der intelligente Linus grübelnd vor der schwarzen Schultafel, auf der weiß auf schwarz schematisch die sieben möglichen Schnittmengen von drei Mengen A, B und C symbolisch dargestellt sind:
Ähnlich erging es vielen Kindern, denen die „Mengenlehre“ vor einem halben Jahrhundert oft im Reformeifer übergestülpt wurde. Aber auch viele Eltern fühlten sich überfordert, wenn sie ihren Kindern helfen wollten.
Mit der Neuen Mathematik – für die das Wort Mengenlehre oft als gleichbedeutend benutzt wurde – bezeichnet man eine internationale Strömung, mit der eine Reformierung des mathematischen Unterrichts in den 1960er und 1970er in Gang gesetzt wurde. Sie lief in den USA unter dem Namen New Math. Ziel war es, den traditionellen Rechenunterricht in der Schule durch die Beschäftigung mit abstrakten Strukturen zu lehren. Die Neue Mathematik sollte die Entwicklung in der wissenschaftlichen Mathematik nachvollziehen, die dort in den Jahrzehnten um 1900 mit der Hinwendung zu axiomatischer Grundlegung und mengentheoretischer Formulierung der Mathematik erfolgte. Parole „Nieder mit Euklid – Tod den Dreiecken!“ Eines der Motive war sicher auch der sog. Sputnik-Schock, der auf einen großen Nachholbedarf im Westen hinzuweisen schien. In der Bundesrepublik war von einem „Bildungsnotstand“ die Rede.
Zum Thema Mengenlehre und dem Versuch, mit der Bewegung von NEW MATH den Mathematikunterricht zu reformieren, gibt es einige weitere Exponate in der Mathothek, z.B. ein Taschenbuch aus dem Jahr 1970, das vom Rowohlt Verlag veröffentlicht wurde. Sein Titel lautete Revolution im Rechenbuch – Die Mathematik verliert ihre Schrecken. Die Formulierung des Titels sagt viel über die großen Erwartungen dieser Reformversuche aus.
Versuche, die Mengenlehre und die Neue Mathematik mit neuen Spielen schmackhaft zu machen, kamen auch von Spieleherstellern. Dazu gibt es zwei originale Beispiele in der Mathothek:
Das folgende Lernspiel wurde als Lehrmittel von vielen Schulen in Klassensätzen zur spielerischen Vermittlung der Mengenlehre angeschafft. Es handelt sich hier um das vom Schroedel-Verlag herausgegebene Begriffsspiel matema, bei dem es um die Merkmale Form, Farbe und Größe geht.
Mit der Hilfe dieses Unterrichtsmaterials hätte sogar Linus sein Venn-Diagramm „spielend“ gelöst.
Ebenso ist ein Beispiel für den Versuch, einen stärker spielerischen Zugang zur Mengenlehre zu bieten, das inzwischen vom Flohmarkt stammende Spiel Lustige Mengenlehre:
Solche Angebote kamen wohl besonders gut bei vielen Eltern an. Da für sie die „moderne Mathematik“ meist auch Neuland war, versuchten sie durch solche und ähnliche Angebote ihre Kinder – ohne die eigenen entsprechenden Kenntnisse zu haben – zu unterstützen. Vielleicht können Euch diese Beispiele für Kartenbilder bereits gewisse Vorstellungen zu diesem Mengenlehre-Spiel vermitteln:
Die beiden Kartenpaare auf dem linken Foto sind je ein Beispiel für zwei Karten, bei denen die linke Karte eine symbolische Beschreibung in vier Merkmalen (Form, Farbe, Anzahl und drinnen oder draußen) ist und die rechte Karte die entsprechende Konstellation umkehrbar eindeutig darstellt. Die folgenden acht rechten Karten zeigen weitere Beispiele für mögliche Konstellationen von jeweils vier Merkmalen:
Es regte sich aber auch zunehmend Kritik an der grundlegenden Reform (=Revolution?). Erwartete Erfolge blieben aus, Widerstände wuchsen und so schrieb beispielsweise 1973 Morris Kline sein erfolgreiches Buch Why Johnny can’t add. The failure of the New Math.
Über das Ende der umstrittenen Reformmaßnahmen schreibt nach fast einem halben Jahrhundert das Magazin DER SPIEGEL in seiner Ausgabe Nr. 13/23.3.2024:
Dieser Artikel steht in der Mathothek Besuchern zur Verfügung.
Jahre nach dem Höhepunkt der Neuen Mathematik erlebte ich öfter Schülergruppen, die mit einer großer Begeisterung ein Kartenspiel mit der Bezeichnung SET! spielten. Auf den ersten Blick erschien es mir, dass es dabei nur auf die schnelle Reaktionsfähigkeit ankomme. Aber nach entsprechender „Einweihung“ erkannte ich, dass auch hier eine „Mengenlehre-Spiel-Struktur“ vorlag.
Dieses Kartenspiel besteht aus 81 Karten, die alle verschieden sind. Sie unterscheiden sich in den abgebildeten Symbolen, und zwar in der Menge oder Anzahl (1, 2 oder 3), Farbe (rot, violett oder türkis), Form (Oval, Rechteck oder Welle) und der Füllung (leer, halb oder voll). Das Spiel beginnt mit einem gut gemischten Stapel der 81 Karten. Es werden dann die obersten 12 zu einem 4×3-Rechteck ausgelegt. Alle Spieler suchen dann gleichzeitig nach einem Set und nehmen dieses an sich. Wer ein Set erkannt zu haben glaubt, sagt dies laut und – wenn es richtig ist – nimmt er es an sich. Im anderen Falle muss er solange aussetzen, bis ein anderer ein richtiges Set gefunden hat. Die gewonnen Sets stapelt man verdeckt bis zum Spielende. Die als gewonnenen Sets entfernten Karten werden von einem beliebigen Spieler durch die nächsten drei Karten vom Stapel ergänzt. Gibt es unter den 12 ausgelegten Karten kein Set, so werden zum Weiterspielen einfach drei Karten vom Stapel ausgelegt. Es gewinnt, wer die meisten Karten gesammelt hat. Ein Set besteht immer aus drei Karten und zeichnet sich dadurch aus, dass jede der vier Eigenschaften – jeweils für sich betrachtet – entweder genau gleich oder völlig verschieden ist.
Beispiele für Sets:
Zwei weitere Beispiele, wobei das linke kein Set und das rechte ein weiteres Beispiel für ein Set ist:
Vielleicht ist hier im Zusammenhang mit Set! ein weiteres Objekt der Mathothek interessant, nämlich das Dopple-Spiel mit seiner Beziehung zur projektiven Ebene.
Ein weiteres Objekt, das mit Mengenlehre und Verknüpfungstafel zu tun hat, ist in der Mathothek entstanden:
Neben diesen mehr spielerischen Exponaten zur „Mengensprechweise“ gibt es in der Mathothek eine reiche und anspruchsvolle Reihe von Objekten, die einige der u.a. von Cantor wesentlichen Erkenntnisse zur eigentlichen Mengenlehre und anderen Grundlagenfragen gut zugänglich machen können.
Verschiedene Kategorien des Unendlichen, wie z.B. die Abzählbarkeit der Menge der natürlichen und der rationalen Zahlen, der Überabzählbarkeit der reellen Zahlen, aber auch den logischen Problemen der eigentlichen Mengentheorie:
Aber auch viele logische Probleme im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Mengenlehre sind durch geeignete Experimente in der Mathothek erfahrbar, so das Dilemma der Menge, die alle Mengen enthält, die sich nicht selbst als Teilmenge enthalten, das berühmte Barbierproblem:
Natürlich sind die logischen Operationen, die mit dieser „Mengenlehre“ eng verbunden sind, heute im Zeitalter des Computers besonders interessant und grundlegend, z.B. die formalisierte Junktorenlogik, d.h. der klar geregelte Umgang mit den Junktoren „und“, „oder“, „wenn-dann“, „nicht“ usw. Hierzu gibt es ein interaktives Exponat in der Mathothek: