Aperiodische Parkettierungen – Penrose-Parkette und Quasikristalle

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Das unten gezeigte Parkett ist schön und schnell durchschaut, es befriedigt unser Bedürfnis nach Übersichtlichkeit, Symmetrie und macht uns keine Angst: Wir haben in kürzester Zeit sein Bauprinzip erfasst und können uns damit auch eine unbegrenzte Fortsetzung dieses Musters vorstellen. 

Aber das ist auch irgendwie langweilig. Da gibt es keine Überraschung, auch keine Spannung: Kenne ich einen Ausschnitt dieses Parketts, so kenne ich auch das ganze. Ich habe das globale Gesetz dieses Musters erfasst und beherrsche es. So sind wir Menschen: Einerseits wollen wir in unserer Umwelt Über- und Durchblick, Symmetrie und einfache Gesetzmäßigkeiten, andererseits wird es uns auch schnell fad. Wir suchen nach Abwechslung, Überraschungen, Herausforderungen. Gutes Leben besteht wohl in der richtigen Mischung.

Die Folge ist in unserem Fall ein Verbot. Die folgende Figur zu legen, ist verboten!

Damit das nicht so leicht unterlaufen kann, gilt die folgende „lokale“ Regel: Beim Aufbau eines solchen nicht langweiligen Parketts dürfen nie zwei Teile so aneinander gelegt werden, dass zwei Kanten mit schwarzen Punkten oder beide ohne solche aneinander stoßen. Dieses ist eine notwendige Bedingung, die erfüllt werden muss. Sie ist nicht hinreichend dafür, dass bei Beachtung dieser Vorschrift auch wirklich ein solch gewünschtes Parkett entsteht.

Hilfreich ist allerdings das Wissen, dass immer wieder – wenn auch nicht periodisch – die abgebildeten Kombinationen oder Figuren auftreten:

Hier einige Ausschnitte aus einem solchen aperiodischen Parkett, das immer wieder den Anschein erweckt, es handele sich um fünffache Drehsymmetrie und Achsensymmetrie:

Dieses Parkett unterscheidet sich wesentlich von den periodischen platonischen und archimedischen Parkettierungen. Bei diesen gibt es die  Translationssymmetrie oder Verschiebungssymmetrie, d.h. ein Teilmuster wiederholt sich periodisch in zwei Richtungen der Ebene. Das gibt es bei einem Penrose-Parkett nicht. Deswegen spricht man von einem Quasi- oder auch aperiodischen Parkett. Auch die fünfzähligen Symmetrien sind nicht durchgängig, denn ein lückenloses Parkett, mit regelmäßigen Fünfecken zu legen, ist unmöglich.

In den 1960er Jahren tauchte die Frage auf, ob es eine Parkettierung geben könne, bei der mithilfe von bestimmten Kachelformen ein nicht periodisches (=aperiodisches) Muster konstruierbar wäre. Nach einigen Versuchen mit z.T. sehr vielen Grundformen gelang es dem englischen Mathematiker Sir Roger Penrose 1974 diese Aufgabe mit nur zwei verschiedenen Rauten zu lösen. 

War das Ganze ursprünglich nur von innermathematischem Interesse, so zeigte sich nach einiger Zeit, dass es auch außerhalb der Mathematik Bedarf nach Erkenntnissen über aperiodische Parkettierungen gab, nämlich in der Chemie bei der Erforschung von Quasi-Kristallen. 

Zu dem ursprünglichen Penrose-Parkett gibt es auch ein Exponat mit sehr vielen Teilen. Bei diesem aperiodischen Parkett bestehen die beiden Grundkacheln aus dicken weißen und dünnen schwarzen Rauten. Zur Verhinderung periodischer Muster muss hier die Regel eingehalten werden: Die Rauten dürfen nur so zusammengesetzt werden, dass entweder nur gefärbte Ecken zusammentreffen oder nur solche ohne Farben. Hier sind die grundlegenden Figuren:

Bei den beiden Rauten – man glaubt es fast nicht – spielt auch er wieder mit: der goldene Schnitt Φ=(1+√5)/2. Nimmt man die Seitenlänge der Rauten als 1 an, entspricht die lange Diagonale in der dicken Raute und die kurze Diagonale der dünnen Raute 1/Φ. Ebenso stehen die Flächeninhalte der beiden Rauten im Verhältnis des goldenen Schnitts, aber auch das Verhältnis der Anzahlen der beiden Typen Karos im Penrose-Parkett stehen im Verhältnis des goldenen Schnitts.

Wie man auch hier an dem kleinen Ausschnitt des Parketts beobachten kann, treten immer wieder Strukturen von regelmäßigen Zehnecken auf, obwohl es auch eine lückenlose Parkettierung mit regelmäßigen Zehnecken unmöglich ist.

Daraus wurde in der Mathothek eine Spielidee: Liegt ein solches Parkett vor, bekommen zwei Spieler oder Gruppen transparente regelmäßige Zehnecke zur Verfügung gestellt. Sie versuchen dann im Parkettmuster Zehnecke zu entdecken und zu bedecken. Der Spieler oder die Gruppe mit den meisten abgelegten Folien hat gewonnen.

In diesen drei schwarzen Dosen befinden sich die Kacheln für beide Penrose-Parkette:

Mithilfe dieser transparenten Pfeile und Drachen lässt sich sehr gut zeigen, wie sich ein gegebener Ausschnitt eines solchen Penrose-Parketts Schritt für Schritt unbegrenzt ausdehnen lässt.

Diese beiden – leider nicht kompatiblen – Mengen von kleineren Pfeilen und Drachen aus dem Gießener Mathematikum lassen sich auf kleinerer Fläche Penrose-Parkette legen.

Mit gutem Geschmack und für gutes Geld lassen sich inzwischen mit Penrose-Parketten, die von immer mehr einschlägigen Betrieben angeboten werden, auch private und repräsentative Gebäude dekorieren. Cool!

2 Kommentare zu “Aperiodische Parkettierungen – Penrose-Parkette und Quasikristalle

  1. Bernhard Klaaßen

    Das sind schöne Abbildungen, die diese geometrische Fragestellung gut illustrieren. Ich würde aber gern auf ein begriffliches Problem aufmerksam machen, das sehr verbreitet ist und selbst bei Fachleuten auf dem Gebiet anfangs auftrat:
    Den Begriff „aperiodisch“ verwendet man nach neuerer Terminologie immer nur für die Grundbausteine, aus denen sich die Parkettierung zusammen setzt, nicht aber für die Parkettierung selbst. Das klingt zunächst etwas spitzfindisch, ist aber ein wichtiger Unterschied. Am Beispiel: Die beiden Penrose-Rauten (schwarz und weiß), aus denen man – bei Beachtung der Orange-Punkte-Regel – nie ein periodisches Muster legen kann, haben diese besondere Eigenschaft, die man „aperiodisch“ nennt, und die einen Effekt hat auf alle so erzeugbaren Parkettierungen. Sie beiden Steine tragen diese Eigenschaft sozusagen schon in sich, wie man beweisen kann.
    Jede einzelne der unzähligen Parkettierungen daraus kann also nur „nichtperiodisch“ sein, und so wird das auch genannt.
    Mas sollte daher nicht den Eindruck erwecken, als seien „aperiodisch“ und „nichtperiodisch“ synonyme Begriffe. Das ist irreführend, denn es waren auch lange vor Penrose nichtperiodische Parkettierungen bekannt. Nur solche zwei Grundbausteine, wie die beiden Rauten (plus einer zusätzlichen Regel), aus denen nie ein periodisches Muster entstehen kann, wurden in dieser Einfachheit erst von Penrose entdeckt.
    (Übrigens: Gerade ist in Spektrum der Wissenschaft ein sehr lesenswerter Artikel über eine geometrische Neuentdeckung erschienen, die mit einem Wortspiel „Einstein-Kachel“ getauft wurde und ebenfalls aperiodisch ist, also immer nur nichtperiodische Muster hervorbringt.)

    1. Bernhard Klaaßen

      Nachtrag: Der Begriff „Einstein-Kachel“ ist kein Fachbegriff, sondern wurde von der Presse eingeführt, um der Neuentdeckung einen griffigen Namen zu geben. Er bezieht sich auf ein Wortspiel des österreichischen Mathematikers Ludwig Danzer, der die Suche nach dem einen aperiodischen Parkettstein als „Einstein-Problem“ bezeichnete.

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