In der Mathothek gibt es ein Exponat, mit dessen Hilfe sich die Frage nach der Verdopplung eines Quadrats begreifbar machen lässt. In dieser Aufgabe geht es geht darum, dass ein quadratisches Schwimmbecken von 10 m Länge vergrößert werden soll, und zwar unter drei Bedingungen: Die quadratische Form soll beibehalten, die Wasserfläche soll verdoppelt und die vier schönen alten Bäume dürfen nicht beseitigt werden:
Übrigens hat nach der Überlieferung schon der antike griechische Philosoph Sokrates seinem Sklaven eine ähnliche Aufgabe gestellt. Mit den hilfreichen Fragen von Sokrates konnte er sie auch lösen.
Da der Bauherr von Geometrie nichts versteht, möchte er zur Überprüfung, ob der neue Pool wirklich doppelt so groß ist wie der alte, die Seitenlänge des neuen wissen. Die Messung ergibt 14,14m, somit wäre das neue Becken 14,142m2=199,9396m2≈200m2, also ungefähr doppelt so groß wie das alte und der Bauherr ist es zufrieden.
Wie groß müsste aber die Seitenlänge wirklich sein? Da das alte Becken 10m lang war, müsste das neue Becken 2⋅100m2, somit exakt 200m2 groß sein. Der Taschenrechner liefert nur Näherungen für √200, z.B. d=14,1421356(2). Machen wir die Probe mit 14,1421356 (die letzte TR-Stelle lassen wir weg, weil sie gerundet ist), so erhalten wir 14,14213562=199,9999993, aber nicht 200.
Wir benutzen noch ein weiteres Exponat aus der Mathothek, das eigentlich ein buntes Legespiel für Kinder ist, um das wirklich tiefe Problem, um das es hier geht, zu begreifen:
Nehmen wir an, dass die Seitenlänge der beiden kleinen Quadrate 1 ist und bezeichnen mit d die Diagonalen der kleinen Quadrate, dann ist d die Seitenlänge des großen Quadrats und seine Fläche so groß wie die Flächen der zwei kleinen zusammen. Daher stimmt die Gleichung d2=2.
Mit den beiden folgenden Experimenten der Mathothek lässt sich dann die Unlösbarkeit der Gleichung x2=2 einzusehen, d.h. dass es in der Menge der rationalen Zahlen keine Lösung der Gleichung x2=2 gibt!
Im ersten Exponat gibt es eine Anzahl von Stäben mit Aussagen, die alle gut nachvollziehbar sind. Sie müssen, nachdem sie auf ihre Richtigkeit überprüft wurden, logisch korrekt geordnet werden, sodass ein logisch gültiger Beweis für die obige Behauptung entsteht. Logisch bezeichnet man diese indirekte Form des Beweises als „Beweis durch Widerspruch“.
Es gibt aber noch ein zweites interaktives Exponat in der Mathothek, mit dessen Hilfe man die obige Behauptung auch geometrisch begründen kann. Mit diesem Exponat der Mathothek lässt sich anschaulich und logisch zeigen, dass es keine Längeneinheit geben kann, mit der man die Länge von Seite und Diagonale eines Quadrates messen könnte und dass es daher auch keine rationale Zahl gibt, deren Quadrat 2 ist. Länge einer Seite eines Quadrates und Länge seiner Diagonale stehen in keinem ganzzahligen Verhältnis. Konkret heißt das in unserem Beispiel, dass es keine rationale Maßzahl in m für die Diagonale geben kann. Dieses Problem ist auch nicht durch Entscheidung für irgendeine andere Maßeinheit zu lösen. Es ist eine grundsätzliche Unmöglichkeit. Die Länge einer Seite und die Länge der Diagonalen eines Quadrates sind inkommensurabel. Diese Erkenntnis zeigt der Beweis von Tennenbaum, der sich mithilfe des folgenden Exponats nachvollziehen lässt.
Will man, dass die Gleichung x2=2 eine Lösung besitzt, wofür ja sehr stark die Anschauung der Existenz der Diagonalen spricht, so wird eine weitere Zahlbereichserweiterung notwendig.
Mit einem weiteren Exponat in der Mathothek kann man einen konstruktiven, interessanten Weg – ohne Taschenrechner – zu einer Näherung an die Lösung von x2=2 kennenlernen. Hier geht es um einen Näherungswert für √200 und wegen √200=10⋅√2 auch für √2. Im Zusammenhang mit den irrationalen Zahlen sind Näherungsverfahren und -werte besonders wichtig und die Beschäftigung damit grundlegend. Die genauere Begründung ist in einem weiteren Artikel des Katalogs zu erfahren.
Wesentlich aber ist es, sich immer vor Augen zu halten, dass auch unsere Rechner immer nur rationale Näherungen für Wurzeln liefern können – und das ohne schlechtes Gewissen ihrerseits.
Die neu hinzukommenden Zahlen nennt man irrationale Zahlen, also „nicht-rationale Zahlen“.
Sie haben, wenn man sie in dezimaler Schreibweise schreibt, unendlich viele Nachkommastellen, sind aber sowohl nicht periodisch als auch nicht gemischt-periodisch, sie besitzen also keinen bestimmten Ziffernblock, der sich von einer bestimmten Stelle an immer nur noch wiederholt. Zu diesen irrationalen Zahlen gehören nicht nur beispielsweise √2, √5, √111 und andere Wurzeln, sondern auch so interessante Zahlen wie π=3,14159265… oder e=2,71828182… . Andere irrationale Zahlen lassen sich leicht erfinden, indem man sich ein „Baugesetz“ ausdenkt: 1,22333444455555… , 2,357111317… oder 90,9009000… . Aber auch mit einem Würfel könnte man eine irrationale Zahl erzeugen. Hier wird die „Wildheit“ der irrationalen besonders deutlich. Die Menge der irrationalen Zahlen ist riesig, unendlich. Man sagt auch, die Menge der irrationalen und damit auch der reellen Zahlen sei „überabzählbar“. Was bedeutet, dass es prinzipiell keine Möglichkeit gibt, die irrationalen Zahlen in einer unendlichen Liste aufzuführen. Bei den natürlichen und den rationalen Zahlen, von denen es auch unendlich viele gibt, ist eine solche unendliche Liste gedanklich möglich. Was das Besondere an dieser Art von Unendlichkeit ist, hat der Mathematiker Georg Cantor in seiner Mengentheorie untersucht. Zu zwei seiner grundsätzlichen Formen von unendlichen Mengen – abzählbar bzw. nicht abzählbar unendlich – gibt es Exponate in der Mathothek.
Die Vereinigung der Menge der rationalen und der Menge der irrationalen Zahlen nennt man die Menge der reellen Zahlen. Die reellen Zahlen können den Punkten einer Geraden umkehrbar eindeutig zugeordnet werden, indem man zwei verschiedenen Punkten dieser Geraden die Zahlen 0 und 1 zuordnet. Das bedeutet nun aber, dass es keine weitere Zahlbereichserweiterung mehr geben. Will man trotzdem den Zahlbereich der reellen Zahlen noch einmal erweitern, so muss man in die Ebene ausweichen. Den Weg dahin hat uns Carl Friedrich Gauß mit seiner Ebene der komplexen Zahlen gezeigt.