„Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding“ – Uhren in der Mathothek

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In der Mathothek gibt es mehr als ein Dutzend Uhren, und das liegt nicht daran, dass hier die Zeit durch das Entdecken und Experimentieren zu schnell zu vergehen oder auch stillzustehen scheint. Erleben wir selbstvergessen und konzentriert tätig unsere Zeit, dann erscheint sie uns in dieser Situation kurz. Im Nachhinein meinen wir wegen der Fülle des intensiv Erlebten, dass die betroffene Zeitspanne sehr lang gewesen sei. Zeiten, in denen wir uns langweilen, monotone und uninteressante Tätigkeiten absolvieren, erscheinen uns im Rückblick als kurz. Dieses subjektive Zeiterleben ist uns allen bekannt. Trotzdem haben die Menschen immer auch nach einem objektiven Zeitvergleich gesucht. Hier boten sich regelmäßige Vorgänge an, die allen zugänglich waren. Auf- und Untergang der Sonne, Sonnenhöchststand oder die Mondphasen waren brauchbare Merkmale zum Messen von Zeitdauer, aber auch zur Festlegung von Zeitpunkten. Man knüpfte von Anfang an, Zeitmessung an Bewegungen mit periodisch sich wiederholenden Abläufen.

Um kürzere Zeitspannen objektiv zu erfassen, erfand man z.B. die Sanduhr. Die immer gleiche Menge feiner Sand, die durch die enge Verbindungsstelle rann, ergab ein Gleichmaß von Zeit, das nicht von subjektivem Erleben bestimmt wurde.

Oben sehen wir vier Beispiele solcher Uhren aus der Mathothek. Das erste Beispiel ist eine echte Sanduhr, wie sie durchaus heute noch in Gebrauch ist, z.B. als Eieruhr oder für bestimmte Spiele als objektive Messung von gleichlangen Zeitspannen für jeden Spieler. Das zweite Exemplar ist mit feinen Eisenspänen gefüllt und besitzt im Boden einen Magneten. Somit kann man ihm nicht nur eine feste Zeitdauer ermitteln, sondern auch Feldlinien des Magnetfeldes beobachten. Die beiden letzten Objekte sind paradoxe „Sanduhren“, denn der „Sand“ wandert nicht nach unten, wie wir es gewohnt sind, sondern nach oben. Das spezifische Gewicht des farbigen „Sandes“ erklärt das Phänomen, d.h. dieser ist leichter als die ihn umgebende Flüssigkeit.

Mithilfe der Schwerkraft, Zahnrädern und einer Vorrichtung, die für den gleichmäßigen Ablauf sorgt, funktioniert diese aus Bausatz von Kunststoffguss gebaute Uhr. Sie ist anlässlich des Leonardo da Vinci-Jahres 2019 von Schülern zusammengebaut worden. Sie bildet eine Uhr nach, wie sie von Leonardo da Vinci als mechanische Uhr entwickelt worden ist.

Diese beiden Wanduhren sind batteriebetrieben, die rechte Uhr ist ferngesteuert. Beide Uhren zeigen keine einfachen Ziffern, sondern Rechenterme, wobei die Aufgaben an der schwarzen Uhr sehr gemischt sind. Auf der weißen Uhr wird nur die Zahl Drei benutzt, aber in den verschiedensten Rechenoperationen. Will man die Aufgaben wirklich rechnen, bedarf es schon einiger mathematischer Kenntnisse. Natürlich kann jedes Kind, das die Uhr abzulesen gelernt hat, die gestellten Aufgaben „lösen“, weil es ja weiß, wo welche der Zahlen von 1 bis 12 zu stehen hat. Trotzdem ist gerade die zweite Uhr reizvoll, weil hier die Herausforderung gemeistert wurde, jede der zwölf Zahlen nur als Term mit Dreien auszudrücken.

Diese – ziemlich kitschige – Uhr ist arabischen Ursprungs und zeigt die Stunden in arabischen Ziffern. Es waren arabische Kaufleute, die die großen Vorteile der indischen Zahlzeichen und des Dezimalsystems einschließlich der Einführung der Null (hier bei der Zehn erkennt man die Null als Punkt) erkannten und übernahmen. Die Weiterentwicklung der Ziffern ging dann im Osten und im Westen der islamischen Welt getrennte Wege. Bei dieser Uhr handelt es sich um ostarabische Ziffern. Aus den westarabischen Ziffern entwickelten sich die heute weltweit verbreitete Schreibweise der Ziffern. Wenn man sich Zeit nimmt und genau vergleicht, dann kann man natürlich die Verwandtschaft einiger der Zeichen erkennen. Im Augenblick des Fotografierens war es 15:15 Uhr in Mekka, denn diese Uhr zeigt die Zeit in Saudi-Arabien.

Die beiden folgenden Wanduhren zeigen zweierlei:

  1. Dass die Ziffern nicht in einem Kreis angeordnet sein müssen, sondern nur so, dass die Winkel zwischen Mittelpunkt (Winkelspitze) und benachbarten Zahlen gleichgroß sein müssen. Die Zeiger überstreichen in der gleichen Zeit gleichgroße Winkelfelder.
  2. Dass die Richtung, in die sich die Zeiger bewegen prinzipiell gleichgültig ist, ob im oder gegen den „Uhrzeigersinn“, ist nur eine Konvention, die uns das Ablesen der Uhr erleichtert. Übrigens ist im mathematischen Sinn die Drehung gegen den Uhrzeigersinn die positive. Die Schreibweise der Zahlen auf dem Zifferblatt mit römischen Zahlzeichen ist bei älteren Uhren ziemlich häufig. Dabei findet man fast immer die Schreibweise IIII statt IV für die Vier. So auch bei der rückwärts laufenden Uhr in der Mathothek.

Zum Typ der ersten Uhr gehört auch eine Armbanduhr, die als Zifferblatt keinen Kreis hat, sondern eine Ellipse. Es ist gerade 11:58 Uhr.

Die nächste Uhr ist ein kleiner batteriebetriebener Wecker, bei dem sich nicht die Zeiger drehen, sondern die Zifferblätter. Dabei gibt es drei solcher sich verschieden schnell drehender Zifferblätter, nämlich für die Stunden, Minuten und Sekunden. Die Uhrzeit wird dann am höchsten Punkt abgelesen, wobei ein roter Strich hilfreich ist. Im Augenblick des Fotografierens zeigt der Wecker 02:13:27 Uhr, und zwar p.m., also am Nachmittag.

Die nächsten beiden Uhren benutzen nicht das allen bekannte Dezimalsystem, sondern das Binär- oder Zweiersystem, das Zahlensystem unserer digitalen Welt.

Die kleine Binäruhr in ovaler Form gibt die Zeit in Form von Leuchtpunkten für Stunden (obere Reihe) und Minuten (untere Reihe) an. Nicht aufleuchtende Punkte stehen für Nullen, die leuchtenden Punkte für Einsen. Auf diese Weise kann jeder Zeitpunkt in binärer Darstellung angezeigt werden. Diese kleine Binäruhr dient einer Kette aus weißen, schwarzen und roten Holzperlen als Anhänger. Die Anordnung der weißen und schwarzen Perlen stellt die Zahlen von 0 bis 15 im Zweiersystem dar. Der Zeitpunkt der Aufnahme war PM 2H 11M, also 14:11 Uhr.

Interessant ist die Form der Zeitanzeige auf der oben abgebildeten elektrischen Tischuhr. Hier werden die Stunden, die Minuten und die Sekunden in jeweils zwei Reihen von aufleuchtenden und nicht aufleuchtenden Punkten dargestellt. Dabei werden in der rechten Spalte die Anzahl der Einer und in der linken Spalte die Anzahl der Zehner in binärer Form dargestellt. Im Beispiel heißt das, dass es bei den Stunden drei Einer und kein Zehner gibt, dass also drei volle Stunde vergangen sind. Bei den Minuten sieht es so aus, dass wir wieder keine Zehner, aber zwei Einer haben. Bei den Sekunden haben wir vier Zehner und ein Einer, folglich 41 Sekunden. Damit haben wir – es ist Nachmittag – 15:02:41 Uhr.

Übrigens sind auf der konkreten Binäruhr keine Erklärungen angebracht. Auf dem Foto dienen sie natürlich nützlicher Weise zur verständlicheren Erklärung.

Zwei weitere Beispiele für Zeitangaben auf der besonderen Binär-Dezimal-Uhr:

Hier zeigt die Uhr 4 Uhr, 20 Minuten und 42 Sekunden an.

Hier zeigt sie 4 Uhr, 24 Minuten und 39 Sekunden an.

Diese zunächst etwas kompliziert erscheinende Zeitanzeige ist aber der Zahlenangabe in der Keilschrift durchaus verwandt. In Mesopotamien benutzte man, um Zahlen zu schreiben, zwei Arten von Keilen, eine für die Einer und eine für Zehner. Außerdem handelte es sich bei ihrem Sexagesimalsystem um ein Stellenwertsystem mit der Basiszahl 60. Allerdings kannte man damals hier noch keine Null. Wollte man beispielsweise 49 Minuten schreiben, hätte man – ohne Zehnerzeichen – 49 Keile oder Nägel in den Ton drücken müssen. Mit Zehnerzeichen schrieb man 4 Zehnerzeichen und 9 Einerzeichen, was schneller ging und wesentlich leichter zu lesen war. Die Einteilung eines Tages und der Nacht in 12 Stunden, einer Stunde in 60 Minuten und einer Minute in 60 Sekunden, aber auch noch sehr viel mehr verdanken wir diesem frühen Kulturraum. 

Diese alternative Uhr wird mit Strom betrieben. Ein kleiner Motor bewegt einen „Heber“, der eine Kugel aus dem Reservoir nimmt und nach oben befördert. Von dort rollt die Kugel, durch die Schwerkraft getrieben, auf einer Bahn nach unten in das erste Fach für „Einerminutenkugeln“. Hier werden vier Kugeln gesammelt. Bei Ankunft der fünften Kugel leert sich das Fach, indem eine Kugel in das Fach mit den „Fünfminutenkugeln“ rollt und die restlichen vier zurück in das Reservoir wandern. Enthält dieses zweite  Fach 11 Kugeln (55 Minuten) und leert sich das erste Fach (fünf Minuten), so rollt eine Kugel in das Stundenfach und alle anderen Kugeln gelangen in das Reservoir.

Diese Uhr wird aktualisiert, indem man vor dem Start die Kugeln entsprechend dem gewünschten Zeitpunkt in den drei Fächern verteilt. Im Moment des Fotografierens zeigt die Kugelbahn-Uhr 13:23 Uhr. Ohne Elektrizität lässt sich auch mit den Bausteinen für Kugelbahnen der eine oder andere Zeitmesser für sehr kurze Zeitspannen bauen:

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