Ein „Gömböc“ und mehrere „abgedrehte“ Kugeln überraschen mit ihren Bewegungen – Physik zum Staunen

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Für kleine Kinder sind bunte Stehaufmännchen ein lustiges Spielzeug. Egal wie ungeschickt das Kind das Männchen auf die Unterlage stellt oder fallen lässt, nach einigen Hin- und Herbewegungen richtet sich das putzige Männlein immer wieder auf. Das geht in der Regel nicht ohne Manipulation mit dem Schwerpunkt des kleinen Wichts. Das sieht man am Verhalten des vereinfachten „geometrischen Stehaufmännchens“, das „zu faul zum Aufstehen“ ist:

Ein Gömböc ist weniger lustig, aber auch er kehrt wie das echte Stehaufmännchen immer wieder in seine stabile Gleichgewichtslage zurück. Aber im Gegensatz zu dem Kinderspielzeug, bei dem ein Zusatzgewicht im kugelförmigen Unterteil den Schwerpunkt verschiebt, ist der Gömböc ein konvexer Körper mit gleichmäßiger Dichte. Allein seine Form sorgt dafür, dass der Gömböc wieder in seine stabile Gleichgewichtslage zurückkehrt.

Der Gömböc besitzt nur einen stabilen und nur einen labilen Gleichgewichtszustand. Dass es kein Objekt mit weniger Gleichgewichtszuständen geben kann, ist mathematisch bewiesen. Dass der Gömböc existiert, wurde 1995 von dem Mathematiker Vladimir Igorevich Arnold vermutet und später von den Ingenieuren und Architekten Gábor Domokos und Péter Várkonyí bewiesen und auch ein entsprechendes Objekt hergestellt.

Inzwischen wurde bewiesen, dass die Existenz von Objekten jeder Gleichgewichtsklasse aus der Existenz des Gömböcs folgt. Darüber hinaus steht inzwischen fest, dass alle diese Objekte physikalisch aus dem Gömböc als Ausgangsform konstruiert werden können. Das Umgekehrte gilt allerdings nicht: Die Existenz des Gömböcs lässt sich nicht aus der Existenz anderer Formen herleiten. Hier besteht eine Analogie zum Verhältnis der Stammzellen zu anderen spezialisierteren Zellen: Indem man Stammzellen benutzt, können andere Zellen produziert werden, aber aus anderen keine Stammzellen.

Ansichten des sich noch bewegenden Objekts:

Der Gömböc in seiner einzigen stabilen Gleichgewichtslage:

Die Krümmung und Dicke eines Objekts können mathematisch durch eine Zahl angeben werden, die größer oder gleich eins ist. Bei der Kugel ist dieser numerische Wert genau eins. Ebenso ist für den Gömböc der Wert eins, und zwar als einziger geometrischen Form, die keine Kugel ist. Somit ist der Gömböc diejenige Form, die der Kugel am ähnlichsten ist.

Obwohl der Gömböc der Kugel am nächsten kommt, ist der Gömböc in der unbelebten Natur nicht vertreten. Das hat seinen Grund in der Sensibilität seiner Gestalt, weil durch die permanente Erosion sehr schnell weitere Gleichgewichtslagen entstehen. Allerdings gibt es in der belebten Natur Schildkröten, deren Panzer einem Gömböc entspricht, z.B. die Indische Sternschildkröte.

Der Name Gömböc leitet ab sich von dem ungarischen Wort gömb für Kugel. Außerdem hat das ungarische Wort gömböc die Bedeutung von „Presswurst“ oder auch „Knödel“ und wird in der Umgangssprache auch für „Dickerchen“ benutzt.

Die abgedrehte Kugel verhält sich auch erstaunlich und sehr viel anders, als wir es erwarten. Der von einem Goldschmied und Geschichtenerzähler in Handarbeit hergestellten Messingkugel sieht man ihr seltsames Verhalten auch nicht auf den ersten Blick an. Die Platte besteht aus edlem portugiesischem Schiefer und wurde von einem Kreiselexperten ebenfalls von Hand gedreht. Dabei hat der Goldschmied sein Geheimnis nicht verraten. 

Legt man die Kugel auf die Platte und stößt sie an, beginnt sie natürlich zu rollen. Allerdings zeigt sie ein „abgedrehtes“ Verhalten, mal taumelt die Kugel, mal torkelt sie, dann folgt vielleicht ein Schlingern und ein Wackeln, dann bremst sie unvermittelt ab, um wieder zu beschleunigen. Nimmt man die Kugel aus der Schiefermulde heraus und stößt sie auf einer ebenen Fläche an, so rollt sie nicht – dem Impulserhaltungsgesetz der Physik folgend –  geradeaus, sondern bewegt sich leicht ruckartig in einer spiraligen Form. Lässt man sie auf einer schiefen Ebene losrollen, so bremst und beschleunigt die verrückte Kugel wie von Geisterhand:

Gerade durch das scheinbare Außerkraftsetzen der Naturgesetze lassen die sich besonders schön demonstrieren.

Zunächst kommt der Verdacht auf, dass hier Magnetismus wirken könnte. Tatsächlich lässt sich beobachten, dass ein Magnet, an die Kugel von außen angelegt, die Messingkugel an einer Stelle anzieht. Das ist ein Hinweis darauf, dass z.B. ein Eisenelement sich in der Kugel befinden könnte. Es lässt sich aber kein Einfluss von Magnetismus auf die seltsamen Bewegungen der Messingkugel feststellen.

Packt man eine schwerere Kugel (Stahlkugel) in das Innere einer hohlen Plastikkugel und versetzt das Kugelduo in Bewegung, so beobachtet man auch eine ruckartiges Rollen wie bei der Messingkugel. Allerdings ist dabei auf einer Fläche keine spiralartige, sondern eine gerade Bahn zu sehen.

In der Würfelsammlung der Mathothek gibt es einige Sechser-Würfel in Kugelform. Auch bei diesen lässt sich das unregelmäßige Rollen, ähnlich dem der Messingkugel feststellen.

Im Inneren des Würfels befindet sich ein Hohlraum in der Form eines sechseckigen Oktaeders, in dem sich eine kleine Stahlkugel bewegt. Fällt diese innere Kugel in eine der sechs Vertiefungen, so lässt sich auf der äußeren Kugel die gewürfelte Zahl ablesen. Auch hier kann man mit einem Magneten (kleiner Kugelmagnet) den Aufenthalt der inneren Kugel feststellen.

Das nächste Beispiel für eine „abgedrehte Kugel“ sind einige kleine getrocknete Ratanfrüchte, die mit ihren in Spiralen angeordneten Schuppen den Zapfen eines Nadelbaumes ähnelt. Schüttelt man dieses Objekt, so hört man Geräusche, die auf einen beweglichen Kern in einem inneren Hohlraum der Frucht schließen lassen. Es handelt sich dabei nicht um einen Eisenkern, wie es der Magnet bei den anderen „abgedrehten Kugeln“ vermuten lässt. Stößt man diese Naturkugel auf einer ebenen Fläche an, so zeigt sie jedoch ebensolches drollige Verhalten wie ihre künstlichen Schwestern.

Inzwischen ist eine weitere namenlose „abgedrehte Kugel“ aus der Natur stammend  und mit von Menschenhand eingefügten Verzierungen in die Mathothek gelangt und hat in der übergroßen Fülle ihrer Objekte doch noch ihr Plätzchen gefunden:

Vermutung: In der Messingkugel befindet sich ein Hohlraum, der nicht unbedingt kugelförmig sein muss, vielleicht mit einer Flüssigkeit gefüllt ist und darin bewegt sich exzentrisch ein kleiner Eisenkern.

Ein Kommentar zu “Ein „Gömböc“ und mehrere „abgedrehte“ Kugeln überraschen mit ihren Bewegungen – Physik zum Staunen

  1. Lisbeth Koller

    Hallo!
    Interessantes Thema!
    Meine Frage ist botanisch motiviert 😉 und bezieht sich auf die letzten beiden Fotos – können Sie mir bitte sagen, von welcher Pflanze diese Samenkapsel stammt? Ich hab vor Jahren genau so eine gefunden und konnte bis jetzt nicht herausfinden, zu welcher Pflanze das Objekt gehört.

    Vielen Dank!

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