Tripelspiegel – “Katzenauge” am Fahrrad und Messung der genauen Entfernung von Erde und Mond

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Bei diesem Selbstporträt hatte der Fotograf wohl eine Weile zu tun, bis sich der Punkt, in dem sich die drei Linien schneiden, genau in der Mitte des Objektivs seiner Kamera befand. 

Nein, es war überhaupt keine Anstrengung dazu notwendig. Im Gegenteil: Alle ihre Bemühungen, dass diese Aufnahme nicht zum Selfie würde, waren völlig vergeblich. Es war ganz und gar unmöglich, einen Punkt für die Linse zu finden, ohne selbst auf dem Foto zu sehen zu sein. Obwohl es ihm doch allein darum ging, dieses Exponat in der Mathothek zu fotografieren und nur dieses.

Dieses interessante Spiegelobjekt ist nämlich ein Tripelspiegel, der aus drei Seiten eines Würfels besteht, die eine Ecke diese Würfels bilden und die drei parallelen Seiten daher fehlen. Die drei Innenseiten der Spiegelhälften sind verspiegelt. In der englischen Fachsprache nennt man passenderweise den Tripelspiegel corner cube.

Diese drei quadratischen Spiegel im Inneren sind somit paarweise senkrecht zueinander. Jeder Lichtstrahl, der von einer Lichtquelle außerhalb des Tripelspiegels auf eine der drei Spiegelflächen trifft, wird nach dem Gesetz “Einfallswinkel = Ausfallswinkel” auf eine der beiden anderen Spiegelflächen und von dort auf die dritte gespiegelt. Der meist dreifach reflektierte Lichtstrahl verläuft dann parallel und gegenläufig zum einfallenden Lichtstrahl. Somit kehrt er praktisch zur Lichtquelle – seinem Ausgangspunkt – zurück. Das gilt entsprechend auch im Falle, dass der Lichtstrahl senkrecht auf eine Spiegelseite trifft oder nur noch eine zweite Seite trifft, weil er sich parallel zur dritten Spiegelseite bewegt.

Diese besondere optische Eigenschaft des Tripelspiegels erklärt den Effekt des obigen Selfies. Jeder Betrachter wird, wenn er in den Tripelspiegel blickt, sein eigenes Bild erblicken und die Kanten der Spielflächen treffen sich im Idealfall – wenn beide Augen gleich stark sind – auf seiner Stirn genau zwischen seinen Augen. 

Eine schon lange Tradition haben solche Tripelspiegel in der Verkehrssicherheit, so beispielsweise als Reflektoren an Leitposten oder als Rückstrahler an Fahrrädern. Man nennt sie hier meist “Katzenaugen”, was jedem einleuchtet, der schon einmal bei Dunkelheit in die Augen einer Katze geleuchtet hat: Die Augen von nachtaktiven Tieren sind retroreflektierend, weil deren Netzhaut reflektierend hinterlegt ist. Es besteht auch ein Zusammenhang mit dem Rote-Augen-Effekt bei Blitzlichtaufnahmen:

Solche Rückstrahler bestehen im Prinzip aus sehr vielen kleinen aneinandergefügten Retroreflektoren. Fällt bei Dunkelheit Licht vom Scheinwerfer eines hinter dem Radfahrer fahrenden Verkehrsteilnehmer auf das Katzenauge eines Radfahrers, so wird das auftreffende Licht in Richtung der Lichtquelle, dem Scheinwerfer, zurückgeschickt. Somit wird der Verfolger gewarnt und der Radfahrer geschützt.

Aber ein Tripelspiegel und Laser bilden inzwischen auch ein wichtiges Paar für verschiedene wissenschaftliche Anwendungen. Mit einem von Astronauten auf dem Mond installierten Tripelspiegel, einem Laser auf der Erde und der Kenntnis der Lichtgeschwindigkeit sind die exaktesten Messungen der Entfernung von Mond und Erde möglich. Ähnliche Installationen dienen auch zur genauen Positionsbestimmung von Satelliten.

Auch in der Radartechnik gibt es dieses Prinzip des Tripelspiegels als Radarreflektor. So beispielsweise in der Schifffahrt an Brückenpfeilern.

Ein solcher Retroreflektor, wie er in der Mathothek zur Verfügung steht, ist auch ein interessantes Objekt zum Experimentieren. Das zeigen einige Beispiele auf den folgenden Fotos.

Aus einem roten Viertelkreis wird ein roter Vollkreis:

Viel interessanter als solche zweidimensionalen Experimente sind natürlich räumliche Effekte. So entsteht aus einem Dreieck, wenn es symmetrisch in die Ecke des Tripelspiegels gestellt wird, das Bild eines Oktaeders. Im ersten Fall wurde ein Dreieck aus drei gleichlangen Stangen eines Metallbaukastens gemacht und im zweiten ein Dreieck aus roter Kunststofffolie benutzt.

In der Mathothek gibt es eine sehr reichhaltige Palette an Spiegelobjekten zum Experimentieren und spielerischen Entdecken. Hier nur vier weitere Beispiele:

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