Dieses Bild (Einkaufszentrum in Wetzlar) macht jedem Betrachter klar, dass er schon öfter Parabeln gesehen hat, als er im ersten Moment dachte. Ein Wasserstrahl schießt leicht geneigt aus dem Wasserbecken, erreicht seinen höchsten Punkt und beginnt – durch die Schwerkraft bedingt – zu fallen, bis er sich wieder mit dem Wasser des Beckens vereinigt. Man sieht eine wunderbare symmetrische Kurve, die man als Parabel bezeichnet. Je flacher der Wasserstrahl aus dem Wasser schießt, umso flacher und weiter ist die Parabel.
Bleiben wir am Wasser, versuchen dabei einen Fluss zu überqueren. Natürlich suchen wir die nächste Brücke. Dann ist es gut möglich, dass uns wieder eine oder mehrere Parabeln begegnen, die die Brücke tragen.
Eine Kirche ist ja auch eine Art Brücke. Aber auch der Himmel über uns bildet von einem Horizontpunkt über den Zenit zum gegenüberliegenden Horizontpunkt scheinbar eine Parabel. So wählte der Architekt der Heilig-Geist-Kirche in der Nähe unserer Schule die symbolbeladene Parabel als tragendes Element seines Kirchenbaus. Diese Fotos zeigen die vielfältigen Parabeln aus Beton dieser interessanten Kirche.
Aber auch in weniger segensreichen Zusammenhängen muss man sich mit Parabeln herumschlagen, beispielsweise bei der Berechnung der Flugbahn einer Kanonenkugel o. Ä. In der Mathothek gibt es ein Exponat, das – leider nur aus Plastik – mit einem Bausatz zusammengesetzt wurde und an Leonardo da Vincis Erfindungen erinnern soll. Es ist ein Katapult und funktioniert. Dabei sieht man die Flugbahn der Kugel als flache Parabel.
Eine erste Annäherung an das Wesen einer Parabel und ihre Verwandtschaft befindet sich in dem kleinen Schaukasten zum Thema Kegelschnitte in der Mathothek.
Mithilfe kleiner Styroporkegel und einer transparenten Kunststofffläche sind hier die verschiedenen Typen von Kegelschnitten anschaulich dargestellt. Hier das Beispiel für die Parabel:
Entscheidend dafür, dass es sich bei der roten Schnittfläche um eine Parabel handelt, ist es, dass die Schnittebene parallel zum Mantel des Kegels verläuft. Diese Beziehung zwischen Schnittfläche und Kegel ist kennzeichnend für eine Parabel.
Was trennt bzw. verbindet die Parabel mit der Ellipse? Eine Ellipse hat zwei Brennpunkte. Eine Parabel auch, aber nur einer der beiden Brennpunkte liegt im Endlichen, der zweite Brennpunkt ist „unendlich weit entfernt“. Bei allen Punkten einer Ellipse gilt, dass die Entfernungen eines Punktes von beiden Brennpunkten zusammen immer gleich groß sind. Da eine Parabel nur noch einen endlichen Brennpunkt besitzt, lässt sich das nicht übertragen. Zu jeder Parabel gibt es eine Leitgerade (=l), die orthogonal zur Parabelachse ist und deren Schnittpunkt bezüglich dem Scheitelpunkt der Parabel symmetrisch zum Brennpunkt liegt. Damit lassen sich nun alle Punkte der Parabel eindeutig beschreiben: Bei jedem Punkt der Parabel ist der Abstand von der Leitgeraden und der Abstand vom Brennpunkt jeweils gleich.
Nach soviel „trockener Mathematik“ muss ein trockener Cocktail sein. Seine gelbe Farbe passt exakt zum Thema:
Allerdings bedarf’s auch hier einer gewissen Interpretation. Wird das Glas so gehalten, dass die Oberfläche der „Flüssigkeit“ parallel zur Glaswand ist und denkt man sich den „Abfluss“ weg, so könnte man eine gelbe Parabel im kegelförmigen Glas erkennen. Aber das soll den Genuss nicht verderben.
Leider ist das nächste Bild einer Parabel auf dem Foto nicht so gut zu erkennen, was sicher nicht durch die Cocktails verursacht ist, sondern daran liegt, dass es sich hier um ein Faltbild handelt. Mithilfe des Brennpunktes der Parabel wurden gerade Linien gefaltet, die alle durch die Faltungsvorschrift Tangenten an die Parabel darstellen. Die Menge der so definierten Tangenten umhüllen die Parabel, sodass diese zunehmend sichtbar wird.
In einer etwas künstlich erzeugten romantisch angeregten Stimmung – es ist inzwischen dunkelste Nacht – erzeugen wir an einer geraden Wand mit einer guten Taschenlampe eine geisterhafte Parabel. Das können wir hier ganz ohne große Denkleistungen zaubern.
Es ist allerdings noch ein weiter Weg von der nächtlichen Erscheinung zu dem berühmten Bild „Kreidefelsen auf Rügen“ von C.D. Friedrich:
Offenbar spielt hier in einem der berühmtesten und bekanntesten Gemälde der Romantik bei der Bildgestaltung eine Parabel eine wesentliche Rolle. Hier sei nur auf den Zusammenhang hingewiesen, dass eine Parabel im Gegensatz zur Ellipse nur einen endlichen Brennpunkt besitzt, dass aber der zweite Brennpunkt einer Parabel im Unendlichen liegt. Andererseits ging es gerade vielen Romantikern, insbesondere auch C.D. Friedrich, in ihrer Kunst darum, die Verbindung von Irdischem und Unendlichem, Menschlichem und Göttlichem, Zeit und Ewigkeit darzustellen.
Wie auch die anderen Namen der Kegelschnitte kommt auch die Bezeichnung Parabel aus der Germanistik. Dabei dürfte die Bezeichnung Parabel für eine gleichnishafte Erzählform wohl am bekanntesten sein.
Gerade in unseren Tagen ist sie wohl wieder besonders aktuell, die „Ringparabel“ aus „Nathan, der Weise“ von Gotthold Ephrahim Lessing. Sie dürfte bei vielen Erinnerungen an ihre Schulzeit wecken.
In der Geschichte ging es um einen Vater von drei Söhnen, die von ihm gleich geliebt wurden. Er besaß einen wertvollen Ring. Als sein Leben sich zu Ende neigte, ließ er zwei täuschend echte Ringe herstellen. Nach seinem Tod begannen die drei Erben sich heftig zu streiten, wer von ihnen den echten und wahren Ring besäße. Sie suchten Rat bei einem weisen Richter. Der entschied, dass sich jeder der drei Brüder im Besitz des wahren Rings glauben solle und ein gutes und gerechtes Leben führen. Weit in der Zukunft sollten sie dann wieder vor einen anderen weisen Richter kommen, der dann anhand der Geschichte entscheiden solle, welcher der drei Ringe wegen seiner guten Wirkungen der wahre Ring sei.
In diesem Gleichnis stehen die drei Ringe natürlich für die drei monotheistischen Religionen: Judentum, Christentum und Islam und ihren Streit darum, dass jede der dreien die echte und wahre Religion zu sein behauptet.
So wie der eine Ast einer Parabel das symmetrische Spiegelbild des anderen ist, so entspricht in der literarischen Parabel das Gleichnis der Erzählung der dargestellten Wirklichkeit, das Erzählte dem Gemeinten.