Klassische mathematische Fraktale – Ihre Konstruktion, Veranschaulichung und fraktale Dimension

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In diesem Artikel werden vier klassische Fraktale vorgestellt, ihre Konstruktion gezeigt, besondere Grenzwerte untersucht und versucht, ihre „gebrochene“ Dimensionen zu erklären.

Als erstes Beispiel betrachten wir „Cantors Staub“:

Dieses Objekt veranschaulicht die ersten fünf Schritte zur Konstruktion des „Cantor-Staub“ genannten Fraktals, das nach dem Mathematiker Georg Cantor benannt ist. Cantor (1845 – 1918) war ein deutscher Mathematiker, der wichtige Beiträge zur modernen Mathematik erarbeitet hat. Er hat die Mengenlehre begründet und das Wissen über die Unendlichkeit erweitert und verändert. Seine revolutionären Ideen und Erkenntnisse wurden erst im 20. Jahrhundert wirklich erkannt.

Die Konstruktionsschritte sind anhand des Objekts leicht abzulesen: Man beginnt mit einer bestimmten Strecke, beim zweiten Schritt wird das mittlere Drittel der Ausgangsstrecke entfernt. Für jede der beiden erhaltengebliebenen Strecken geschieht dasselbe. Dasselbe passiert nun bei jedem der weiteren Schritte: Immer erreicht man die nächste Stufe, durch Entfernung des mittleren Drittels der Strecken der vorherigen Stufe. Gedanklich macht es unserer Logik kein Problem, diesen Prozess unendlich oft zu wiederholen. Der Cantor-Staub ist dann der Grenzwert dieser unendlich vielen Schritte. Ist die Bezeichnung „Staub“ für das Endprodukt gerechtfertigt? Die Längen der (blauen) Linien lassen sich, wenn wir die Länge der Ausgangslinie mit 1 annehmen, Schritt für Schritt als eine Folge von Brüchen angeben: 1, 2/3, 2/3⋅2/3=4/9, 4/9⋅2/3=8/27, 8/27⋅2/3=16/81, usw. Die Summe der Längen der (blauen) Linien wird bei jedem Iterationsschritt um ein Drittel weniger. Es handelt sich daher um die geometrische Folge an+1=2/3⋅an, d.h. an= (2/3)n für n=0, 1, 2, 3, … . Der Grenzwert dieser Folge ist somit 0. Es gibt schließlich nur noch isolierte Punkte – „Staub“!

Wie sieht es nun mit der Dimension dieses Cantor-Staubs aus? Hat er die Dimension 0 wie ein Punkt oder die Dimension 1 wie eine Gerade? Die Antwort lautet, weder noch! Dazu musste man den Begriff der Dimension erweitern. Solche Erweiterungen von bereits bestehenden Begriffen ist in der Mathematik sehr verbreitet. Man denke nur an den Begriff der Zahl. Hier beginnt es mit den natürlichen Zahlen 1, 2, 3, 4, 5, 6, … , die zur Menge der Bruchzahlen und diese dann zu den rationalen Zahlen erweitert werden. Von den rationalen Zahlen geht es über die reellen Zahlen zu den komplexen Zahlen. Jede Erweiterung umfasst auch als Teilmenge die alte Zahlenmenge und die bekannten Gesetze gelten auch für den erweiterten Zahlbereich. Außerdem muss diese Erweiterung eines Begriffs sinnvoll, nützlich und widerspruchsfrei sein.

Der erweiterte Dimensionsbegriff ist nicht so kurz herzuleiten. Er baut auf Arbeiten des Mathematikers Felix Haussdorf auf, der 1868 geboren wurde und 1942 mit seiner Frau Suizid beging, weil sie der Deportation in ein Konzentrationslager entgehen wollten.

Man vergleicht bei diesem Dimensionsbegriff grob gesagt die Anzahl a der beim nächsten Schritt entstehenden Motive mit dem Maßstab s der Verkleinerung, wobei man s als Skalierung bezeichnet. Aus diesen beiden Zahlen berechnet man dann die (fraktale) Dimension mit der Formel D=log(a):log(s). Diese Formel erhält man aus der Gleichung a=sD mithilfe einiger Äquivalenzumformungen: a=sD ⇔ log(a)=D⋅log(s) ⇔ D=log(A):log(s).

Die obige Struktur zeichnet sich durch eine strenge Selbstähnlichkeit aus: Aus einer Strecke werden zwei Strecken und der Platz, den die beiden neuen Strecken mit fehlender Mitte einnehmen, ist ein Drittel dieser Strecke, d.h. a=3 und s=2. Dann berechnet sich die fraktale Dimension dieses selbstähnlichen Musters: D= log2:log3=0,630929754. Also liegt die Dimension des Cantor-Staubs zwischen den klassischen Dimensionen von einem Punkt und einer Geraden.

In der Mathothek gibt es eine Menge Exponate mit fraktalen Strukturen, z.B. eine Stufe zum Sierpinski-Tetraeder.

Wie man an einer Seite dieses Objekts erkennen kann, hat auch jede Seitendreieck des Tetraeders eine klare fraktale Struktur, die man als Sierpinski-Dreieck bezeichnet und die ein klassisches Fraktal darstellt. Damit kommen wir zu unserem zweiten Fraktal:

Auch hier lässt sich die Vorschrift zur Erzeugung der selbstähnlichen Figuren leicht mithilfe der Darstellung der ersten sechs Iterationen nachvollziehen: Man beginnt mit einem gleichseitigen Dreieck. Im nächsten Schritt schneidet man aus diesem ein gleichseitiges Dreieck heraus, dessen Eckpunkte die Seitenmittelpunkte des Ausgangsdreiecks sind. Bei dem nächsten Schritt wiederholt sich dieser „Ausschneidevorgang“ mit jedem der drei vollen Dreiecke. Praktisch nicht – gedanklich mathematisch ja – lässt sich dieser Prozess unendlich oft fortsetzen. In der Darstellung oben wurde der Ausschneidevorgang fünfmal hintereinander durchgeführt. Jedes solche Dreieck ist eine fraktale Struktur: Die äußeren Teildreiecke sind verkleinerte Kopien des vorausgegangenen Dreiecks. Man spricht hier auch von der perfekten Selbstähnlichkeit des Sierpinski-Dreiecks.

Fragen wir uns auch bei diesem Fraktal, was am Ende übrigbleibt. Wie beim Cantor-Staub wird bei jedem Iterationsschritt hier die Fläche um ein Drittel kleiner. Daher sehen wir, dass wir dieselbe Folge wie oben erhalten und auch den denselben Grenzwert 0. Es bleiben keine Teilflächen mehr übrig, der Grenzwert 0 besagt, dass der verbleibende Rest des Grenzprozesses keine Fläche ist.

Auch hier stellen wir nun die Frage nach der Dimension des Sierpinski-Dreiecks, und werden feststellen, dass der Grenzwert von allen unendlich vielen dieser selbstähnlichen Dreiecke – das eigentliche Sierpinski-Dreieck – weder die Dimension eines Punktes, einer Geraden, noch einer Ebene hat.

Man erkennt hier, dass aus einem Dreieck beim nächsten Schritt drei Dreiecke entstehen, d.h. a=3, dabei ändert sich der Maßstab 1:2, also gilt für die Skalierung s=2. Mit derselben Formel wie oben ergibt sich dann D=log3:log2=1,584962501, d.h. die Dimension des Sierpinski-Dreiecks liegt zwischen 1 und 2, also zwischen der Dimension einer Geraden und der einer Fläche.

In der Mathothek gibt ein „Pascal’sches Dreieck“, bei dem sich dieselbe Zahl auf beiden Seiten des hölzernen Rechtecks befindet. Eine Seitenfläche ist gelb, die andere grün angemalt. 

In diesem Pascal’schen Dreieck wurden alle durch drei teilbaren Zahlen gelb gefärbt, die anderen grün. Man erkennt den Anfang einer Struktur, die mit der des Sierpinski-Dreiecks übereinstimmt. Mithilfe dieses Exponats lassen sich mithilfe der Teilbarkeit der natürlichen Zahlen leicht fraktale Muster erzeugen. Kehrt man in diesem Modell eines Pascal’schen Dreiecks alle Steine um, die bei der Division durch eine bestimmte natürliche Zahl denselben Rest ergeben, so erhält man eine fraktale Struktur.

In den folgenden Beispielen sind die Zahlen, die bei der Division durch 2, bzw. durch 9 den Rest null ergeben, gelb:

Hier haben wir das dritte klassische fraktale Gebilde: Die sogenannte Koch’sche Schneeflockenkurve.

Um uns auch hier den Antworten der oben gestellten Fragen zu nähern, betrachten wir die folgenden ersten drei Iterationsschritten:

Wir beginnen mit einer einfachen Strecke. Beim ersten Schritt teilen wir diese Strecke in drei gleich große Strecken, nehmen das mittlere Stück heraus und ersetzen es durch zwei gleich große Strecken, mit denen wir die Lücke wieder schließen (unten offenes gleichseitiges Dreieck). Beim nächsten Schritt wiederholen wir mit jeder Teilstrecke diesen Vorgang von Wegnehmen und Ergänzen. Wie lang wird die entstehende Kurve, wenn wir den Iterationsschritt unendlich oft wiederholen? Diesmal wird bei jedem Schritt die Kurve um ein Drittel länger. Nehmen wir die Länge der Ausgangsstrecke mit 1 an, so wächst die Länge um den Faktor 1/3. Das ergibt wieder eine geometrische Folge: 1, 4/3, 4/3⋅4/3=16/9, 16/9⋅4/3=64/27, … =(4/3)n für n=0, 1, 2, 3, … und diese Folge ist divergent, sie geht gegen unendlich.

Wie sieht es hier mit der fraktalen Dimension aus?

Bei diesem Koch’schen Fraktal gilt ersichtlich a=4 und s=3, also bekommen wir D=log(4):log(3)=1,261859507, d.h. die Grenzkurve liegt von ihrer Dimensionalität zwischen der Dimension einer Geraden und einer Ebene.

Bei dem nächsten klassischen Fraktal, das nach dem Mathematiker David Hilbert benannt wird, füllt im Fall unendlicher Iterationsschritte eine eindimensionale Kurve eine gesamte zweidimensionale Fläche. Unten sind zwei Näherungskurven abgebildet.

Ein Exponat der Mathothek aus dem 3D-Drucker von Frank zeigt die ersten acht Schritte zur Hilbert-Kurve:

Um diese fraktale Kurve besser zu verstehen, gibt es ein besonderes Exponat zu ihrer Konstruktion:

Mithilfe der Grundplatte und den transparenten Auflagen lassen sich die ersten drei Näherungsschritte deutlich machen:

Die kleinen roten Quadrate und die größeren orangen zeigen den Aufbau mit dem „Grundmotiv“ besonders verständlich:

Bei diesen Bildern können wir nun auch feststellen, dass im Falle der Hilbert-Kurve a=4 und s=2 ist. Daher ergibt sich für die Hilbert-Kurve D=log(4):log(2)=2log(2):log(2)=2. Die Hilbert-Kurve ist also eine Fläche!

Hier haben wir die beiden ersten Schritte für drei Fraktale. Rechts wird eine Strecke verdreifacht, in der Mitte wird ein Quadrat verneunfacht und links ein Würfel zum 27fachen. Somit erhalten wir im Falle der Strecke a1=3, a2=9 und a3=27, für die Skalierung (Maßstab) ergibt sich in allen drei Fällen s=3. Folglich erhalten wir im ersten Fall D1=log(3):log(3)=1, im zweiten D2=log(9):log(3)=2log(3):log(3)=2 und im dritten Fall ergibt sich D3=log(27):log(3)=log(33):log(3)=3. Da sind sie wieder, die alten Dimensionen, mit der erweiterten Definition!

Genauso wie die oben gezeigte Hilbert-Kurve eine Fläche vollständig ausfüllt, füllt die Peano-Hilbert-Kurve als eindimensionale Kurve einen ganzen dreidimensionalen Würfel aus. Hierzu gibt es als Veranschaulichung ein 3D-Objekt, das die ersten drei Schritte zur Grenzkurve zeigt:

In diesem Falle ist die Anzahl a=8 und die Skalierung s=2. Folglich ergibt sich für die fraktale Dimension dieser Kurve: D=log8:log2=log(23):log2=3Log2:log2=3 

Die Kurve füllt also den Würfel vollständig aus, d.h. dass durch jeden Punkt des Würfels mindestens eine ihrer Näherungen geht. 

Noch ein paar Bilder zu einigen weiteren fraktalen Objekten in der Mathothek:

Faszination Mathematik! Staunen in der Mathothek! Dank an Frank!

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