Keplers Mysterium Cosmographikum – Zu schön, um wahr zu sein

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Am 9. Juli 1595 kam während einer Unterrichtsstunde Johannes Kepler die Idee, die sechs Planetensphären der damals bekannten sechs Planeten: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter und Saturn mit den fünf platonischen Körpern in Beziehung zu setzen.

Zu jedem dieser seit der griechischen Antike geschätzten, besonders symmetrischen Körper   gibt es eine Inkugel, die größte Kugel, die noch in den platonischen Körper passt, und eine kleinste Kugel, in die der platonische Körper noch passt, Umkugel genannt.

Hier Modelle (in der Mathothek) von Umkugeln zu den fünf platonischen Körpern:

Würde man die platonischen Körper in der richtigen Reihenfolge ineinander schachteln, so müssten sich die sechs Planetensphären mit den richtigen Abständen darstellen lassen, das war Keplers Vorstellung. Von 120 möglichen Anordnungen der platonischen Körper wählte Kepler die einzig infrage kommende Reihenfolge aus. „Die Erdsphäre ist das Maß für alle anderen Bahnen. Ihr umschreibe ein Zwölfflach; die dieses umspannende Sphäre wird die Marsbahn sein. Der Marsbahn umschreibe ein Vierflach; die dieses umspannende Sphäre wird die Jupiterbahn sein. Der Jupiterbahn umschreibe einen Würfel; die diesen umspannende Sphäre, wird die Saturnbahn sein. Nun lege in die Erdbahn ein Zwanzigflach; die diesem einbeschriebene Sphäre wird die Venusbahn sein. In die Venusbahn lege ein Achtflach; die diesem einbeschriebene Sphäre wird die Merkurbahn sein.“ 

Johannes Kepler (1571-1630) war ein deutscher Naturphilosoph, Mathematiker, Astronom, Astrologe, Optiker und evangelischer Theologe. 1600 bis 1601 war er Assistent bei Tycho Brahe in Prag. Auf seiner Suche nach der „Harmonie der Welt“ nahm er das kopernikanische, heliozentrische Weltbild nicht als hypothetisches Modell zur schnelleren Ermittlung der Planetenpositionen, sondern als physikalische Tatsache. Damit erzeugte er großen Widerstand bei beiden Kirchen. Seine drei Planetengesetze wurden nach ihm benannt. Darin erkennt er die Sonne als entscheidende Kraft für die Bewegungen der Planeten. Bei dem Versuch, die Bahnen der Planeten durch beweisbare Beobachtungen auf die platonischen Körper zu beziehen, scheiterte er. Dass er dann seine geschätzte Polyedertheorie aufgab, macht ihn zu einem der ersten echten modernen Naturwissenschaftler. Eine direkt Folge dieses Scheiterns war die Erkenntnis, dass sich die Planeten auf Ellipsen bewegen und nicht auf Kreisen. Dabei werden in aller Regel Kreise als einfacher, natürlicher und schöner als Ellipsen gesehen.

Auch bei modernen Wissenschaftlern wird eine Theorie bevorzugt, wenn sie schön, möglichst einfach und natürlich ist. Dabei führen diese Kriterien nicht immer zur Wahrheit. Vielleicht hängt die Erfolglosigkeit der theoretischen Physik, beispielsweise bei dem Versuch, die vier Grundkräfte der Physik: die elektromagnetische Kraft, die starke und schwache Kernkraft sowie die Gravitation auf eine einzige Kraft zurückzuführen, auch mit dem Wunsch zusammen, eine schönere Theorie zu entdecken, die Welt aber nicht so schön ist.

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