Goldener Schnitt – Abstrakt und genau in der Mathematik

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Wir sehen in diesem Objekt der Mathothek ein Quadrat (hellgrüner Hintergrund), ein dunkelgrünes Dreieck mit einem goldenen Kreis. Schön. Gibt es eine tiefere Aussage dieser Komposition? Ja, sogar einen korrekten mathematischen Satz. Nehmen wir an, dass die Seitenlänge des Quadrates eins ist, dann messen wir den Radius des Kreises und erhalten 0,6 der Einheit. Das reißt noch niemand aus seinem Sessel. Wenn aber jemand nicht ganz unwissend ist, könnte er vermuten, dass hier der Goldene Schnitt im Spiel ist. Also erst einmal die Vermutung genau formulieren: Wenn man in einem Quadrat mit der Seitenlänge 1 ein gleichschenkliges Dreieck so konstruiert, dass seine Grundseite mit einer Quadratseite übereinstimmt und der Punkt seiner Spitze auf der gegenüberliegenden Quadratseite liegt, dann hat ein Kreis, der alle Dreiecksseiten berührt, den Durchmesser φ, φ=0,618… d.h. der  Durchmesser des Kreises steht zur Länge der Quadratseite im Verhältnis des Goldenen Schnitts. Damit haben wie den ersten Schritt im Sinne des philosophischen Prinzips de More geometrico (nach Art der Mathematik) gemacht. Um zu beweisen, dass der obige mathematische Satz wahr ist, muss man jetzt die Vermutung Schritt für Schritt aus der Voraussetzung (Wenn …), mit den Axiomen der Geometrie und mithilfe daraus gefolgerter Sätze logisch herleiten. Dabei darf an keiner Stelle der Argumentation auf die Anschauung zurückgegriffen werden. Noch so vieles Messen in der Realität kann keinen Beweis für die Richtigkeit einer mathematischen Aussage liefern.

Aus dieser Erkenntnis heraus ist es umso erstaunlicher, dass die Mathematik und ihre streng logische Methode uns so gewaltig beim Verstehen der Welt geholfen hat. Die erfolgreiche und grundlegende Hilfe der Mathematik beim Begreifen der Gesetzmäßigkeiten und der – wenigstens teilweisen – Beherrschung der Welt ist erstaunlich.

Zu den grundlegenden Dingen der Geometrie und damit der Mathematik gehört die klare Definition von Begriffen. “Goldener Schnitt” kann zunächst alles Mögliche bedeuten, womit sich dann im Hinblick auf Erkenntnisgewinn aber nichts erreichen lässt:
Wenn eine Strecke IABI durch einen Punkt T so geteilt wird, und die gesamte Strecke IABI sich zur längeren Strecke IATI verhält wie diese zur kürzeren Teilstrecke ITBI, so teilt der Punkt T die Strecke IABI im Verhältnis des Goldenen Schnitts.

Definition: T teilt IABI im goldenen Schnitt, wenn IABI:IATI=IATI:ITBI.

Bezeichnen wir IATI=M (Major) und ITBI=m (Minor), so ergibt sich die Gleichung (M+m):M=M:m.

Die Gesamtstrecke verhält sich zur größeren Teilstrecke wie die größere Teilstrecke zur kleineren Teilstrecke.

Die häufigste Konstruktion der Teilung im Goldenen Schnitt sieht so aus:

Die obige Definition legen wir jetzt der Berechnung der goldenen Zahl φ zugrunde.

Wenn wir die Länge der zuteilenden Strecke als 1 annehmen und die der längeren Teilstrecke mit x bezeichnen, so erhalten wir:

1/x=x/(1-x). Das ist äquivalent mit

1=x2/(1-x) und das ist äquivalent mit

1-x=x2, was äquivalent mit x2+x-1=0 ist. Diese quadratische Gleichung hat nur eine positive Lösung, nämlich

x= -1/2+√(5/4) oder x=0,5·(-1+√5).

Es ist also die längere Teilstrecke 0,618… , wenn die Gesamtstrecke 1 beträgt. Die goldene Zahl φ kann wie z.B. die Kreiszahl π nicht als Bruch geschrieben werden, sie ist irrational.

Für die goldene Zahl φ (Phi, nach dem großartigen antiken griechischen Bildbildhauer Phidias) gilt also φ=0.5·(√5-1) ≈ 0,618. Hier spricht man vom inneren goldenen Schnitt. Nimmt man aber an, dass die längere Teilstrecke 1 ist, so erhält man für die gesamte Strecke x=0,5·(1+√5)≈1,618. Da spricht man dann vom äußeren goldenen Schnitt.

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Bei den folgenden Exponaten der Mathothek geht es um mathematische Eigenschaften und Beziehungen des Goldenen Schnitts und auch um Anwendungen im Alltag.

Zunächst ein Beispiel aus dem täglichen Leben – das goldene Rechteck als Format der Scheckkarte:

Das Format der Scheckkarte, der Kreditkarte, des Führerscheins, des elektronischen Personalausweises und in der Folge vieler anderer Karten entspricht praktisch dem goldenen Schnitt, d.h. es handelt sich hier um goldene Rechtecke. Ein Rechteck wird ein goldenes Rechteck genannt, wenn Länge und Breite im Verhältnis des goldenen Schnitts stehen.

Hier handelt es sich um eine Kundenkarte, deren Format einer Scheckkarte entspricht. Dieses Exponat, zu dem noch eine weitere Anzahl Karten gehört, zeigt, wie man schnell feststellen kann, ob eine Karte ein goldenes Rechteck ist. Nur bei einem goldenen Rechteck lässt sich die Diagonale des liegenden Rechteck so verlängern, dass diese durch die obere Ecke des hochkant gestellten Rechtecks geht. In der kleinen Sammlung von Karten gibt es auch solche, die keine goldenen Rechtecke sind.

Mithilfe der Definitionen von Goldenem Schnitt und goldenen Rechteck lässt sich beweisen: Nimmt man von einem goldenen Rechteck ein Quadrat weg, dessen Seitenlänge mit der Breite des goldenen Rechtecks übereinstimmt, so bleibt ein goldenes Rechteck übrig. Umgekehrt gilt dann natürlich auch, dass man mit einem entsprechenden Quadrat ein goldenes Rechteck zu einem goldenen Rechteck vergrößern kann. Das Prinzip zeigen die folgenden Bilder. Allerdings handelt es sich hier nicht um goldene Rechtecke, sondern um Näherungen. Diese Rechtecke entsprechen in Breite und Länge zweier Fibonacci-Zahlen: 2 zu 3, 3 zu 5, 5 zu 8, usw. Je größer die Rechtecke werden, umso mehr nähert sich das Verhältnis seiner Breite zu seiner Länge dem Goldenen Schnitt des goldenen Rechtecks.

Die beiden folgenden Bilder zeigen auf Zusammenhänge von Quadrat und goldenem Rechteck sowie von regelmäßigem Fünfeck und goldenem Dreieck:

Das goldene Rechteck liegt symmetrisch in einem Quadrat, dabei liegen die Eckpunkte des Rechtecks auf den Seiten des Quadrats. Mathematisch lässt sich dann beweisen, dass ein solcher Eckpunkt die Quadratseite im Verhältnis des Goldenen Schnitts teilt.

Beschreibt man in ein regelmäßiges Fünfeck ein Dreieck so ein, dass eine Seite des Fünfeckes zur Basis wird und die Sitze des Dreiecks auf der gegenüberliegenden Ecke liegt, so wird das Fünfeck in drei goldene Dreiecke zerlegt: ein spitzwinkliges und zwei stumpfwinklige goldene Dreiecke. Um ein goldenes Dreieck handelt es sich dann, wenn das Dreieck gleichschenklig ist und Schenkellänge und Basis im Verhältnis des Goldenen Schnitts stehen.

Bei dem nächsten Objekt entsteht wieder eine ganz besondere Spirale:

Ausgang ist das große spitzwinklige goldene Dreieck. In dieses wird ein entsprechendes stumpfwinkliges goldenes Dreieck (gelb) gebettet, dessen Schenkel wird zum Schenkel des nächsten spitzwinkligen goldenen Dreiecks. Diese Strecke wird nun im Goldenen Schnitt geteilt. Es entsteht ein grünes stumpfwinkliges und ein buntes spitzwinkliges goldenes Dreieck usw. Indem man die stumpfwinkligen Dreiecke zu Kreissektoren macht, bilden die Kreisbögen eine Spirale – die spira mirabilis.

Das regelmäßige Fünfeck, also das Pentagon, und damit auch das Pentagramm haben eine sehr enge Beziehung zum Goldenen Schnitt. Diese mathematischen Zusammenhänge werden  an anderer Stelle mit anderen Exponaten der Mathothek dargestellt.

Für diese “eckige Schnecke” geht man von einer willkürlich gewählten Strecke aus, teilt sie im Goldenen Schnitt, nimmt den Major (die größere Teilstrecke) und fügt diese rechtwinklig an die erste Strecke an. An diese trägt man wiederum den Major der zweiten Strecke an, und zwar in demselben Winkel. Setzt man das Verfahren mehrfach fort, so erhält man eine “eckige Spirale”. Sie lässt sich sowohl nach innen wie nach außen beliebig fortsetzen.

Die nächsten zwei Exponate zeigen beide Male eine gute Näherung an die goldene Spirale.

Das untere Objekt besteht aus einer Sperrholzplatte sowie je einem farbigen  Quadrat mit der Seitenlänge 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21 bzw. 34. Das sind die ersten neun Zahlen der Fibonacci-Folge. Sie stehen in einem ganz engen mathematischen Zusammenhang mit dem Goldenen Schnitt.

Auf jedem der Quadrate ist der Bogen eines Viertelkreises aufgetragen. Legt man die Quadrate passend auf die Unterlage, so erhält man eine Annäherung an die goldene Spirale. Letztere würde die Seiten nicht berühren, sondern in zwei dicht beieinander liegenden Schnittpunkten schneiden.

Hier ergeben sich zwei interessante Spiralen aus Sechstelkreisen. Gleichseitige Dreiecke und Parallelogramme wechseln sich ab. Die Parallelogramme sind ähnlich. Auch hier regiert der Goldene Schnitt: Die Seiten der Dreiecke werden im Verhältnis des Goldenen Schnitts geteilt.

Hat man ein gegebenes Rechteck und will daraus das größtmögliche Dreieck schneiden, so hilft auch hierbei der Goldene Schnitt!

Wenn man für das Dreieck die Eckpunkte A, B und C so wählt, dass A ein Eckpunkt des Rechtecks ist und die Punkte B und C die Teilungspunkte (des Goldenes Schnittes) der gegenüberliegenden Seiten sind, so wie im Bild, dann hat dieses Dreieck den größtmöglichen Flächeninhalt.

Das goldene Rechteck hat noch eine interessante Beziehung zu den platonischen Körpern, nämlich zum Innenleben des Ikosaeders.

Die drei roten Rechtecke, die mit ihren Ecken die Eckpunkte des Ikosaeders bilden, sind alle golden. Die blauen Fäden sind die Kanten des Ikosaeders.

Immer wieder kann man in der Geometrie – oft überraschend auf den Goldenen Schnitt stoßen, z.B. bei dieser Konstruktion aus Quadraten und einem besonderen Kreis. Ein gegebenes Quadrat wird in neun kongruente Quadrate geteilt und ein Kreis durch die Ecken der mittleren Quadrate gezeichnet. Wie der goldene Zirkel zeigt, teilt der Kreis die Diagonalen der Quadrate in den Ecken im Verhältnis des Goldenen Schnitts.

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Bleibt noch, den Zusammenhang von Fibonacci-Folge und Goldenem Schnitt zu klären. Die Folge der Fibonacci-Zahlen beginnt mit 1, 1, 2, 3, 5, 8, … . Sie startet mit den beiden Einsen. Die nächste Zahl in dieser Folge ist immer die Summe der beiden vorausgegangenen Zahlen: 1+1=2, 1+2=3, 2+3=5, 3+5=8, 5+8=13 usw. Bildet man den Quotienten aus einer Fibonacci-Zahl und ihrer Nachfolgerin, so nähert sich das Ergebnis immer mehr der goldenen Zahl. Beispiele 2:3=0,6666… , 3:5=0,6, 5:8=0,625, …, 13:21=0,619047619… usw. Die Ergebnisse kommen der Zahl φ=0,618… immer näher, ohne sie je zu erreichen. Alle Näherungen sind rationale, der Grenzwert φ aber ist eine irrationale Zahl. Aus diesem Grunde werden oft statt des Goldenen Schnitts das Verhältnis zweier benachbarter Fibonacci-Zahlen genommen, beispielsweise 1:2, 3:5 usw.

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