Faszinierende Schönheit der Welt der Seifenhäute – Ein Blick in die Mathematik der minimalen Flächen

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Die beiden Bilder von den Besuchern aus La Réunion bei ihrem Aufenthalt in der Mathothek sagen über die Faszination dieses Experiments mehr als viele Worte.

Es handelt sich hier um die Herstellung von Seifenhäuten mithilfe eines Exponats der Mathothek:

Es besteht aus einem Gefäß für die Flüssigkeit, die aus einer Mischung aus Wasser, Spülmittel und Glyzerin besteht. Das könnte natürlich auch zum Händewaschen dienen. Zu einem der ästhetischsten und begeistersten Angebote der Mathothek wird es aber durch Drahtgestelle. Indem man eines davon mit dem Kantenmodell ganz in die Seifenbrühe eintaucht und vorsichtig wieder herausnimmt, beginnt die Verzauberung.

Dabei hat dieses Spiel mit Wasser, Seife und einem Strohhalm schon Kinder zu allen Zeiten Spass gemacht. Die zarte schillernde Haut der möglichst großen Kugeln machte großen Spaß und es war auch noch ein fast kostenfreies Vergnügen. Wenn diese Seifenblasen sich vom Strohhalm lösten und frei in der unbewegten Luft schwebten, dann war die Faszination der mathematisch sehr präzisen Kugeln groß. Der stabile Zustand hielt allerdings nicht lange an und die Kugel zerplatzte. So wurde die Seifenblase zum perfekten Symbol für manche schöne Illusion und manchen schönen Traum. 

Taucht man das Kantenmodell eines Würfels in die Flüssigkeit und zieht es vorsichtig heraus, so staunt der Besucher nicht wenig darüber, dass seine Erwartung positiv enttäuscht wird. Erwartet hat er, dass sechs Flächen aus der Seifenlauge das Kantenmodell zum Würfel machen würden. Tatsächlich passiert das gerade nicht, diese Würfelflächen fehlen erstaunlicherweise. Dafür gibt es mehrere Flächen im Würfel, aus denen die Seifenhaut sich zusammensetzt. Besonders schön ist es, wenn in der Mitte des Würfels sich ein zweiter Würfel oder ein Quadrat gebildet hat und die Kanten des inneren Würfels oder Quadrats durch Trapezflächen mit den Kanten des Drahtwürfels verbunden sind.

Diese Seifenhautbildung mit dem inneren Quadrat ist mit ihren Kanten eine interessante Veranschaulichung eines vierdimensionalen Würfels als Projektion in unsere dreidimensionale Erfahrungswelt. In der Mathothek gibt es dazu einen besonderen Artikel und mehrere Exponate. Hier ein Bild, das eine zweidimensionale Projektion einer dreidimensionalen Projektion eines vierdimensionalen Objekts zeigt:

Was passiert wohl, wenn wir das Kantenmodell eines Tetraders mit einer Seifenhaut überziehen?

Der linke der beiden Schüler aus Rumänien erlebt gerade ein mögliches Ergebnis: Natürlich sind wir nach der Erfahrung mit dem Würfel nicht mehr überrascht, dass die Seifenhaut nicht einfach die vier dreieckigen Seitenflächen des Tetraeders überzieht, sondern ein Punkt in der Mitte, von dem aus sich zu jeder Kante des Tetraeders ein Dreieck spannt. Bei der Seifenhautbildung des Tetraeders fällt auf, dass sich immer vier Kanten in einem Punkt treffen.

Auch hier gibt es ein geeignetes Kantenmodell (rechtes Bild, Tetraeder links) für diese faszinierende Seifenhaut:

Aber analog zum Würfel kann die Seifenhaut eines Tetraeders auch statt des Mittelpunktes ein kleineres Tetraeder haben. Eine zweite Parallele zum Würfel zeigt sich auch beim Tetraeder: Bei dieser Seifenhautgestalt zeigt sich ebenfalls eine Projektion eines vierdimensionalen Tetraeders.

Das sind nur zwei von den vielen und mehr werdenden Kantenmodellen, die in der Mathothek für Experimente zur Verfügung stehen. Hier folgt noch ein weiterer eckiger Körper: ein dreiseitiges Prisma. Bei der Seifenhaut des Prismas lassen sich wichtige lokale Regelmäßigkeiten der Seifenhautbildung beobachten: Hier bildet sich die Seifenhaut so, dass sich drei Flächen in der mittleren Kante treffen. Dabei geschieht das unter drei gleich großen Winkeln, also von jeweils 120°.

Auch die Seifenhaut des nächsten Kantenmodells ist faszinierend und es lohnt sich auch hier, Regelmäßigkeiten zu suchen und auf die bei Tetraeder und Prisma erkannten Eigenschaften hin zu untersuchen. Es handelt sich auch hier beim Oktaeder wie bei Würfel und Tetraeder um einen der fünf platonischen Körper.

Unter den vielen gelungenen Kantenmodellen, die zum Experimentieren angeboten werden, gibt es auch zwei interessante Beispiele, die eigentlich misslungen waren, mindestens verglichen zur ursprünglichen Absicht. Aber sie wurden nicht entsorgt, sondern dienen als besondere aufschlussreiche Objekte. Das Bild zeigt eines davon:

Bei jedem Versuch mit dieser „Krone“ bildet sich das gleiche Bild, die gleiche Form der Seifenhaut und ist trotz des zerbrechlichen Aussehens ausgesprochen lange stabil, auch wenn man leicht damit wackelt oder es erschüttert.

Es gibt aber auch einige gelungene Drahtformen, die keine geraden Kanten haben, sondern aus kurvig gebogenen Drähten gemacht sind, z.B. wie es auf dem Eingangsbild mit der experimentierenden Schülerin zu sehen ist.

Gerade die eigentlich misslungene „Krone“ ist gut geeignet, den Blick von der Faszination zur Frage nach der dahinter steckenden Gesetzmäßigkeit zu lenken. Sie erschließt sich nicht ganz so leicht und unmittelbar. Aber gerade bei der Krone fällt auf, dass die Seifenhäute recht stabil sind, dass sie auch bei Bewegungen in ihre ursprüngliche Gestalt zurückkehren.

Jede Seifenhaut, die sich beim Untertauchen und Herausnehmen spontan bildet ist stets eine „Minimalfläche“. Sie ist dadurch bestimmt, dass die Summe der Inhalte aller Teilflächen der jeweiligen Seifenhaut immer ein Minimum ergeben. Jede Veränderung, z.B. durch Schütteln oder Anblasen, verursacht einen größeren Gesamtinhalt der Flächen. Hier ist die Erklärung dafür zu sehen, dass die Seifenhäute so lange stabil sind: Das Seifenhautgebilde versucht stets einen Zustand zu erhalten oder wieder herzustellen, bei dem die Gesamtfläche mimimal ist. Oft ist das Minimum nicht eindeutig. Es gibt oft mehrere stabile Minima. Manchmal wechselt die Seifenhaut von einem zum anderen. So zeigt das folgende Bild eine weitere minimale Seifenhaut beim Kantenmodell des Würfels:

Diese Eigenschaft der Seifenhäute, in der Summe aller Flächeninhalte minimal zu sein, ist eine globale Eigenschaft. Dagegen sind die Eigenschaften, die bei den Seifenhäuten von Tetraeder und Prisma beobachtet wurden, sogenannte lokale Eigenschaften. Diese Phänomene treten einerseits bei allen Seifenhäuten auf, sind aber wegen der mehr oder weniger starken Biegung der Flächen und Kanten streng genommen nur in kleineren Umgebungen gültig. Der Grund dafür ist, dass die Flächen und Kanten mehr oder weniger stark gebogen sein können.

Auch am Beispiel der guten alten mit dem Strohhalm erzeugte Seifenblase zeigt sich das Minimumprinzip: Die sich in einer ruhigen Umgebung bildenden bunten Kugeln bestätigen die mathemathische Erkenntnis, dass bei einer Kugel die Oberfläche zum Inhalt minimal ist, d.h. vergleicht man verschiedene Körper miteinander, so ist von allen Körpern das Verhältnis von seiner Oberfläche zu seinem Volumen am kleinsten, also minimal. 

Dass bei der Konstruktion des Daches des Münchner Olympiastadions (1972) das Prinzip der Minimalflächen angewandt wurde, zeigt uns, dass dieses Experiment nicht nur ein „Kinderspiel“ und ein fesselndes Experiment für Besucher der Mathothek ist. Die Architekten experimentierten sehr ausgiebig mit den verschiedensten Drahtgestellen, um die zu realisierende Endform zu finden.

Wer sich mit diesem sowohl ästhetischen als auch interessanten Thema Seifenblasen eingehender informieren möchte, kann sich das interessante Buch Kugel. Kreis und Seifenblasen – Optimale Formen in Geometrie und Natur, Stefan Hildebrandt und Anthony Tromba, das sich ausgiebig mit diesem Thema beschäftigt, in der Mathothek nutzen.

Ein Kommentar zu “Faszinierende Schönheit der Welt der Seifenhäute – Ein Blick in die Mathematik der minimalen Flächen

  1. Anna Dall'Acqua

    Liebe Mathothek,

    wegen eine Veranstaltung in der Lange Nacht der Wissenschaft an der Uni Ulm werden wir ein Poster über das Plateau Problem machen.

    Wäre es möglich die Seifenhäuten Bilder auf diese Webseiten dafür zu benutzen?

    Vielen Dank in voraus,
    Mit freundlichen Grüßen,

    Anna Dall’Acqua

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