Entropie – Spiel um Ordnung und Unordnung

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Diese interessante und lehrreiche Variante des „Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiels wurde durch das schöne Buch „Die Berechenbarkeit der Welt“ von Bernd-Olaf Küppers (Stuttgart, 2012) angeregt. Es handelt sich bei unserem „Entropie-Spiel“ um ein reines Glücksspiel! Deshalb sollte man sich keinesfalls ärgern, sondern dem Mitspieler sein Glück gönnen und sich über den gemeinsamen Wissensgewinn freuen.

Die Grundidee dieses Spiels stammt von Manfred Eigen und Ruthild Winkler und geht zurück auf ein Gedankenexperiment des Physikerpaares Paul und Tatjana Ehrenfest zur Veranschaulichung des statistischen Charakters des Entropieprinzips. Während alle Mikrozustände grundsätzlich gleich wahrscheinlich sind, lässt sich die Irreversibilität nur auf der Makroebene beobachten.

Eine konkrete Verteilung schwarzer und grüner Steine auf dem Spielbrett stellt einen Mikrozustand dar. Alle Mikrozustände mit derselben Anzahl schwarzer Chips gehören zum selben Makrozustand.

Hier folgt die von der Mathothek entwickelte Konkretisierung des Spiels für zwei Personen:

Zu Beginn liegen nur grüne Chips auf dem Spielbrett. Ziel des Spiels ist es, die grünen Chips durch die eigenen schwarzen zu ersetzen.

Jeder der beiden Spieler erhält 16 schwarze Chips. Es wird abwechselnd mit beiden Würfeln gleichzeitig gewürfelt. Hierzu gibt es zwei Oktaederwürfel mit den Zahlen von eins bis acht. Die gewürfelte Zahl des roten Würfels gibt die 1. Koordinate  (x-Achse/waagerecht), die des blauen die 2. Koordinate (y-Achse/senkrecht) an.

Der grüne Chip mit der gewürfelten Koordinate – hier (5/2) – wird durch einen eigenen schwarzen ersetzt. Der grüne Chip kommt auf einen allgemeinen Ablagestapel.

Falls an der Stelle des gewürfelten Koordinatenpunkts bereits ein schwarzer Chip liegt, wird dieser durch einen grünen Chip ersetzt und der schwarze zu den eigenen Chips zurückgelegt.

Gewonnen hat derjenige Spieler, der zuerst keinen schwarzen Chip mehr besitzt.

Eine große Differenz bei der Anzahl der jeweiligen schwarzen Chips bei den beiden Kontrahenten lässt keine Vorhersage des Gewinners zu. Das Spiel kann vor dem Ende sehr chaotisch verlaufen.

Bei jeder Spielrunde ist zunächst ein Makrozustand mit größerer Anzahl schwarzer Steine wahrscheinlich, d.h. die Entropie wächst. So gibt es nur einen Mikrozustand zum Makrozustand null (keine schwarzen Chips auf dem Brett), aber schon 64 Mikrozustände zum Makrozustand eins. Nähert sich das Spiel dem Makrozustand 32, so wächst die Anzahl der jeweiligen Mikrozustände gigantisch. Würde man die Anzahl der schwarzen Chips zu Anfang auf 32 je Spieler erhöhen, wäre es prinzipiell möglich, dass irgendwann alle Felder schwarz sein würden. Für dieses Ergebnis ist aber die Wahrscheinlichkeit praktisch null. Das gilt auch für den Makrozustand 0, d.h. alle Plätze sind wieder grün belegt.

Die Anzahl der Mikrozustände für den Makrozustand 8 beträgt 4,4·109, für den Makrozustand 24 sind es ca. 2,5·1017 und für die Gleichverteilung 32 grüne und 32 schwarze Chips gibt es ca.1,8·1018 Mikrozustände. Insgesamt sind ca. 2·1019 Mikrozustände möglich. Bezeichnet man die Anzahl der schwarzen Chips mit n, so erhält man die Anzahl der möglichen Mikrozustände für den Makrozustand n mit der Formel 64!/(n!·(64-n)!).

Der Makrozustand 32, also die Gleichverteilung, ist ein dynamisches Gleichgewicht, d.h. im Mittel verlassen in der Nähe der Gleichverteilung genauso viele grüne bzw. schwarze Chips das Brett wie schwarze bzw. grüne ins Spiel kommen.

Bedeutung für die Physikalische Chemie: Die deterministische Aussage des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik, dass die Entropie eines geschlossenen Systems niemals abnehmen kann, wird so auf einen Satz der statistischen Physik zurückgeführt, dass nämlich auf einen Makrozustand höheren Gewichts extrem selten ein Makrozustand minderen Gewichts folgt.

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