Die Zahl Sieben: Sagen, Märchen und Legenden – Zauberkraft der Sieben.

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Wenn man über die Zahl Sieben und ihre magische Zauberkraft spontan nachdenkt, so wird einem neben den vielen alltäglichen, oft unbewussten Verwendungen der Sieben in Redewendungen, den Wochentagen oder den Mondphasen vor allem die magische Sieben in Märchen, Sagen und Legenden in die Erinnerung kommen: Wir empfinden auch heute noch die magische Aura der Sieben gerade in den Märchen, die die Brüder Grimm gesammelt und neu erzählt haben. Dass „in jenen Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat“, die Sieben nicht nur eine gewöhnliche Zahl wie jede andere war, sondern eine Magie ausstrahlte, spüren wir noch heute, „weil sie nicht gestorben ist, lebt sie weiter“.

So lebt in dem Motiv der Siebenmeilenstiefel der uralte Traum des Menschen, in null Komma nichts von einem Ort zu einem anderen zu gelangen. So wie dieser Traum die Menschen überall und jederzeit begleitete, so finden wir das Motiv der Siebenmeilenstiefel in Mythen, Sagen, Märchen und Gedichten. Heute ist dieser Menschheitstraum durch Wissen und Technik fast zur alltäglichen Realität geworden. Die Lehnübersetzung Siebenmeilenstiefel stammt aus dem Märchen Der kleine Däumling von Charles Perrault („bottes de sept lieues“). In diesem Märchen  wissen die Eltern einer von Hunger bedrohten Korbmacherfamilie sich nicht anders zu helfen, als ihre sieben Kinder im Wald auszusetzen. Der jüngste siebenjährige Spross kann mithilfe von Siebenmeilenstiefeln die in Gefahr geraten Geschwister und sich retten. Anschließend kehren sie mit Schätzen reich beladen nach Hause zu ihren nun nicht mehr armen Eltern zurück.

Das Jahr der 200. Wiederkehr der Ersterscheinung Der Kinder und Hausmärchen der Brüder Grimm war der Anstoß für die Darstellung der magischen Zahl Sieben mittels kleiner Szenen, Miniaturen und Anspielungen in der Mathothek. Das Unternehmen begann natürlich mit Zitaten zu Grimm’schen Märchen. Einige Beispiele werden hier gezeigt und der Auftritt der magischen Sieben gezeigt.

In dem hier zitierten Märchen „Der Bärenhäuter“ der Brüder Grimm schließt der junge Mann einen Pakt mit dem Teufel. Er darf sich sieben Jahre nicht waschen, muss ein Bärenfell tragen, nicht die Haare schneiden, sich nicht kämmen und kein Vaterunser beten. Dafür garantiert ihm der Teufel Goldmünzen, so oft er welche braucht. Bricht der Jüngling den Vertrag, verliert er seine Seele an den Teufel. Die bedingungslose Liebe eines schönen und guten Mädchens lässt den Bärenhäuter aushalten und der Teufel verliert die Wette. Der Teufel muss den Bärenhäuter sogar persönlich wieder „zivilisationstauglich“ machen.

Ähnlich wie bei den Siebenmeilenstiefeln für eine Entfernung (vom Start zum gewünschten Ziel) steht hier die Sieben symbolisch für eine bestimmte Zeitspanne. Besonders beim Bärenhäuter bedeutet die Sieben vor allem die Ganzheit und Vollkommenheit: Die Erlösung erfolgt nur, wenn die sieben Jahre vollständig erfüllt wurden. Bekannter sind die nächsten Grimm’schen Märchen:

Der Wolf und die sieben jungen Geißlein

Das Märchen Der Wolf und die sieben jungen Geißlein nimmt das Motiv der Sieben als runde, ganze Zahl auf. Das Jüngste der sieben Geißlein überlebt versteckt im Uhrkasten und rettet so mit der Mutter und dem Jäger die anderen, sodass wieder alle sieben Geißlein lebendig sind.

Schneewittchen und die sieben Zwerge

Sieben Kisschen, sieben Teller, sieben Fläschchen usw. Natürlich sind wir hier bei den Sieben Zwergen hinter den sieben Bergen zu Besuch. Das von allen sieben Zwergen geliebte Schneewittchen hat die Anschläge ihrer Stiefmutter, vor der sie geflohen war, überlebt und ist mit ihrem Prinzen in dessen Reich gezogen. Wahrscheinlich heißt sein Schloss Siebenstein und die beiden leben dort hoffentlich immer noch im siebten Himmel.

(Die letzten beiden Erwähnungen der Sieben kommen im Märchen nicht vor, sind uns aber vertraut.)

Die sieben Raben

Die hier während einer kurzen Rast im Herbst vor den Toren Wiesbadens fotografierten sieben Raben sind die durch den Fluch ihres Vaters verzauberten Brüder eines Mädchens. Als es von ihren sieben verwandelten Brüdern erfuhr, machte es sich auf den Weg, um sie zu suchen. Um alle sieben Brüder zu befreien und ihnen wieder ihre Menschengestalt zu geben, musste es schwerste Prüfungen bestehen und Aufgaben erfüllen. Wenn auch hier die Sieben für alle, für das Ganze stehen mag, so wäre es fast schiefgegangen: Am Ende der sieben Jahre waren die geforderten sieben Hemdchen für die Brüder nicht ganz fertig, es fehlte an einem der Hemdchen ein Ärmel, sodass der jüngste Bruder nur einen Arm und noch einen Flügel hatte.

Die sechs Schwäne

Dieses Märchen scheint die Sechs der magischen Sieben vorzuziehen. Es ist inhaltlich fast identisch mit dem Märchen von den sieben Raben. Nimmt man bei den sieben Raben die Schwester noch hinzu, so könnte man vermuten, die Acht sei die magische Zahl, aber aus der „magischen“ Sechs der Schwäne wird dann auch dort die „ganze“ Geschwisterzahl auch sieben.

Diese beiden Märchen zeigen, dass es manchmal ziemlich gleichgültig zu sein scheint, wo man die Magie der Sieben einsetzt, solange sie ihre Wirkung entfalten kann.

Das tapfere Schneiderlein oder Sieben auf einen Streich

Der kleine schmächtige Schneider hatte gerade Pflaumenmus gekauft und freute sich darauf, sein geschmiertes Brot zu verzehren, als sieben fette Fliegen sich daran gütlich taten. In seinem Zorn schlug er mit einem Schlag alle sieben zu Brei. Danach nähte er sich einen Gürtel mit der Aufschrift: Sieben auf einen Streich und zog so aus der Stadt in die Welt hinaus. Aus verständlichem Grund erweckte er bei seinen Auftritten Furcht und Schrecken. Sein heldenhafter Ruf half ihm die ihm gestellten drei Aufgaben zu erfüllen, wofür er eine halbe Prinzessin zur Gemahlin und ein ganzes Königreich erhielt. Oder war es umgekehrt? Jedenfalls steht die Sieben hier für viele, alle, das Ganze.

Hans im Glück

Es ist ein von den meisten anderen Märchen abweichender Typ. Es geht nicht um Zauber und unmenschliche Heldentaten, sondern um einen braven jungen Mann, der sieben ganze Jahre seinem Herrn, dem Müllermeister, treu gedient und sein Handwerk gelernt hat. Nun möchte er nachhause zu seinen Eltern zurück. Der Müller belohnt seinen Fleiß und seine Treue mit einem Klumpen Gold. Und jetzt wendet sich das Märchen völlig überraschend: Zuerst tauscht Hans das ihm zur großen Last werdende Gold in ein Pferd, das aber nichts taugt, sodass er es gegen eine Kuh tauscht, die aber wegen ihres Alters ihm nicht die gewünschte Milch gibt. So tauscht er die Kuh gegen eine Gans und diese schließlich gegen einen Schleifstein, der ihm aber schon bald lästig wird, sodass er ihm, nicht ganz ungewollt, in einen tiefen Brunnen fällt. So von allem befreit, gelangt er singend und pfeifend bei Mutter und Vater an.

In diesem Prozess der Befreiung steckt der zweite Auftritt der magischen Sieben, wenn auch ein wenig versteckt. Zählt man aber einmal die Tauschvorgänge, so kommt die glückliche Sieben zum Vorschein:  Arbeit gegen Gold, Gold gegen Pferd, Pferd gegen Kuh, Kuh gegen Schwein, Schwein gegen Gans, Gans gegen Schleifstein und schließlich den gegen die Freiheit von aller Last. Das erinnert durchaus an die Siebenzahl bei Rangstufen in verschiedenen Religionen.

In den Märchen hat die Benutzung der Sieben hauptsächlich die Funktion einer magischen Formel, die das mystisch Raunende und magisch Anziehende bewirken soll. Die Verbindung zu den sieben besonderen Himmelskörpern usw. schwebt nur noch wage im Hintergrund.

Neben der Sieben kommt die Zahl Drei ganz besonders häufig in den Märchen vor, oft gar nicht als Zahl selbst, sondern durch drei Dinge oder Menschen, die mit ihren Rollen, Funktionen und Eigenschaften das Geschehen in diesem Märchen bestimmen. Beispiele sind das Märchen Tischlein deck dich, Esel streck dich, Knüppel aus dem Sack oder Die drei goldenen Haare. Sehr häufig hat die Drei aber eine weitere Bedeutung. Zum Beispiel muss eine von drei Türen oder Wegen gewählt werden, und die erlösende Entscheidung ist die mittlere Tür oder der mittlere Weg. Es kommt auch sehr oft vor, dass die gestellte Aufgabe aus drei Teilaufgaben besteht. (Sieben wären hier wohl auch „heiliger“, aber doch auch zu viel.)

Die Sage und das Märchen haben gemeinsam, dass sie oft lange Zeiten mündlich überliefert wurden, dass sie unterhalten wollen, dass sie gewisse Beispiele für richtiges Verhalten liefern sollen. Sagen haben allerdings meistens einen stärkeren Bezug zu realen geschichtlichen Personen oder Begebenheiten als die Märchen. Phantasie und Erzählfreude sind aber auch die wesentlichen Momente der Sagen. Dabei leistet auch in ihnen die Sieben mit ihrer aus dem himmlischen und mythologischen Bereich stammenden Magie einen starken Beitrag. Im Märchen stecken vermutlich des Öfteren noch  vorchristliche religiöse Vorstellungen, die nach der Christianisierung in der Bevölkerung verkleidet weiter bestanden.

Märchen, Sagen und Mythen sind alle drei großartige Mischungen von Wahrheiten und traumhaften Phantasien zu starken Botschaften.

Mythen oder Sagen können auch benutzt werden, um Machtanspruch einer Dynastie zu begründen, einen Machtwechsel zu legitimieren oder ein Volk über andere zu stellen.. So werden Dynastien oft gerechtfertigt durch die Behauptung der göttliche Abstammung des ersten Herrschers. Auch die Gründung Roms im Jahre 753 v. Chr. durch die von einer Wölfin aufgezogenen Zwillinge Remus und Romulus ist ein solcher Mythos. Diese Sage behauptet auch, dass die Ewige Stadt auf sieben Hügeln (Palatin, Kapitol, Quirinal, Viminal, Esquilin, Caelius und Aventin) gegründet wurde. Die Republik wurde nach der Herrschaft von sieben Königen errichtet.

In der römischen Mythologie steht die Sieben mit dem Gott Neptun in Verbindung.

Viele andere Städte mit hügligem oder bergigem Untergrund berufen sich auch auf den Mythos und behaupten, auf sieben Hügeln gegründet zu sein, z.B. Siegen in Westfalen. 

Ein andere Sage aus dem großen Schatz der antiken griechischen Mythologie bezieht sich auf das siebentorige Theben. Diese Sage – Sieben gegen Theben – ist uns als Teil der „Thebanischen Trilogie“ des griechischen Dramatikers Aischylos überliefert. Die beiden Söhne Eteokles und Polyneikes des Königs Ödipus übernehmen das Königreich und vereinbaren, jährlich abwechselnd zu regieren. Nach dem ersten Jahr verweigert Eteokles den Rücktritt, sodass Polyneikes Theben mit seinen Verbündeten (den Sieben gegen Theben) angreift. In sieben Einzelkämpfen wird nun die Schlacht ausgetragen. Die letzte Paarung sieht den Bruderkampf vor, in dem Eteokles und Polyneikes umkommen, die Stadt aber wird gerettet. Die Brüder werden vom siebten Tor in den Palast gebracht und von den Schwestern Ismene und Antigone in einem Klagegesang betrauert.

Sieben gegen Theben ist der letzte und einzig erhaltene Teil der „Thebanischen Trilogie“ des griechischen Dramatikers Aischylos, mit der er im Jahr 467 v. Chr. bei den Dionysien in Athen siegte.

Ein anderer Mythos bezieht sich auf den Kampf und Sieg der Griechen gegen das ältere und mächtige minoische Königreich. Nach dieser griechischen Sage musste Athen alle neun Jahre sieben Knaben und sieben Jungfrauen dem König Minos übergeben, die dann dem grauenhaften Tiermenschen Minotaurus geopfert wurden. Der Minotaurus war in einem riesigen Labyrinth gefangen, aus dem weder er noch eines seiner Opfer herausfinden konnte. Erst der griechische Held Theseus schaffte es, den Minotaurus zu töten und wieder aus dem Labyrinth herauszukommen. Die Königstochter Ariadne, die sich in ihn verliebt hatte, verhalf ihm mit einem Faden, den Rückweg zu finden.  

Das kleine Bild ist natürlich nicht das Labyrinth des Minotaurus, aber ein Miniaturlabyrinth in der Mathothek. Man vermutet, dass der Palast des minoischen Königs so groß und mit soviel Räumen und Gängen ausgestattet war, dass er den Griechen wie ein riesiges Labyrinth erschien.

Auch Legenden sind mit Mythen, Sagen und Märchen verwandt, weil auch sie keine belegbare Begebenheit realistisch beschreiben. Ihr Merkmal ist ein meist vorhandener religiöser Bezug. Dabei dreht sich die Erzählung meist um christliche Themen, die durch die Legende ausgemalt werden und der biblische Hintergrund mit phantastischen Ergänzungen angereichert wird.  Das Märchenhafte – bzw. für den Gläubigen das Faktische – an der Legende ist das Wunder.

Der Name Siebenschläfer steht für eine bestimmtes Nagetier, aber auch für eine Heiligenlegende und einen damit zusammenhängenden Tag, der Siebenschläfer-Tag. Nach der bäuerlichen Tradition gehört dieser Siebenschläfer-Tag zu den sogenannten Lostagen. Lostage sind aufgrund langer Beobachtungen zu Vorhersagen über den weiteren Wetterverlauf geeignet, je nach dem an diesem Tag herrschenden Wetter. Der Siebenschläfer-Tag hat aber seinen Namen von einer Legende über sieben Heilige, Sieben-Schläfer-Legende. Es waren danach sieben Jünglinge in Ephesus in Kleinasien, die sich zum Christentum bekannt hatten und deswegen vom römischen Kaiser verfolgt und mit dem Tode bedroht wurden. Der Verfolgung und Tötung entkamen sie, weil sie sich in einer Höhle verstecken konnten und dort sieben Jahre wunderbar von Gott behütet und versorgt schliefen. Erst als sie nach langer Zeit erwachten, konnten sie ohne Bedrohung wieder hinaus in die Welt. Sie hatten so versorgt und behütet mehrere Jahrhunderte in der Höhle geschlafen.  

Die Legende von den Sieben Schläfern gibt es auch im Islam. Sagen und Legenden mit einem vergleichbaren Motiv gibt es verbreitet. Wahrscheinlich liegt in diesem Falle der Ursprung des gemeinsamen Motivs in vorchristlicher Zeit. Die Magie der Sieben ist auf jeden Fall, wie wir an vielen Stellen sehen konnten, uralt, älter als die Religionen überhaupt.

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