Für Besucher der Mathothek, die für Mystik, Mythen, Sagen, Legenden und Märchen, aber auch alltägliche Redewendungen und Bilder oder Religionen und Geschichte offen sind und sich von den magischen Aspekten der Zahlen faszinieren lassen, bietet die Mathothek ein Stück „siebten Himmel“ mit einem Regal voller kleiner entzückender Miniaturen:
Menschen haben wohl – spätestens seit den ersten Ansätzen von Tausch und Handel – Mengen mehr oder weniger intuitiv nach Größe und dann durch direkten Vergleich und schließlich durch Zählen verglichen. Dabei war es sicher ein weiter und langer Weg zu einem der abstraktesten Begriffe, der Zahl. Ursprünglich waren die Zahlen noch eng mit den gezählten Objekten verbunden. Das lässt sich sehr gut in den ersten schriftlichen Funden beobachten, wenn man z.B. in Mesopotamien Zahl und gezählte Dinge in Ton festhielt. Noch heute stellen Kinder beispielsweise „sieben Bäume“ zeichnerisch so dar, dass sie sieben Bäume nebeneinander malen.
Sicher war die Trennung von Zahl und Gezähltem ein sehr langer Prozess in der Entwicklung der menschlichen Zivilisationen. Mit der Vervollkommnung der Sprache, ihrer immer reicheren Möglichkeiten und zunehmenden Abstraktionen wurden die Zahlen zunehmend von ihren oft mitschwingenden Bedeutungen immer mehr auf ihre rein quantitativen Funktionen reduziert. Dieser Umgang mit Zahlen, Zählen und Rechnen führte so zu einer größeren Rationalität. Angetrieben wurde diese Entwicklung durch das Entstehen der ersten großen Reiche, die zum Funktionieren eine gute Verwaltung, Steuern und Abgaben einschließlich Zahlen und Rechnungen benötigten.
Nur geschah diese Wandlung zur immer größeren Abstraktion der Zahl an sich nicht, ohne dass noch andere Bedeutungen, Assoziationen und Irrationales mitschwang. Man denke daran, dass manche Menschen auch heute noch von Glücks- und Unglückszahlen überzeugt sind.
So findet man aber nicht nur solche persönlichen Interpretationen bestimmter Zahlen, sondern auch in kulturellem Kontext mit mehr oder weniger gleicher Bedeutung. Die Drei steht im christlich geprägten Bereich für das Ewige und Himmlische und die Vier für die Erde, das Vergängliche und alles Irdische. Natürlich bezieht sich die Drei auf die zentrale Vorstellung von der Dreifaltigkeit von Gott: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Die Vier mag mit den vier Himmelsrichtungen zusammenhängen, aber auch mit den vier Elementen. Aber die Drei und die Vier und damit auch ihre Summe, die Sieben, waren bereits im alten Mesopotamien besondere Zahlen: Die Drei stand für die Familie (Vater, Mutter, Kind) und die Vier für die Welt (Erde, Feuer, Wasser und Wind).
Die folgenden Abbildungen von Exponaten der Mathothek beziehen sich auf die Märchen Die sieben Raben, Die sieben Geißlein und der Wolf, Schneewittchen und die sieben Zwerge, Der kleine Däumerling, Hans im Glück und Der Bärenhäuter.
Eine Zahl ist von überragender Magie: Es ist die magische Sieben. Zur Sieben und ihrer durchaus ambivalenten Bedeutung in praktisch allen Religionen und Kulturen gibt es in der Mathothek eine riesige Sammlung von Miniaturen. Sie entstanden aus Anlass der 200 Jahre nach der Erstausgabe der Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm, in denen die Zahl Sieben mit ihrer magischen Aura immer wieder vorkommt.
Die nächsten Bilder weisen auf die besondere Bedeutung der Sieben in sehr alter Zeit und im Zusammenhang mit den Religionen hin: sumerisch-babylonische, jüdische, christliche und islamische Hintergründe der Sieben.
In die Welt der Märchen, Legenden usw. gelangte die Sieben sicher aus der Religion. Das Christentum und der Islam haben beide wesentliche Wurzeln im Judentum, und von dort haben sie wohl auch die magische Zahl Sieben übernommen. Das Judentum befand sich im Einflussbereich der großen Kultur des Zweistromlandes, das die Griechen Mesopotamien nannten. In diesem Raum entstanden und entwickelten sich viele der wichtigsten und frühesten Zivilisationen: die der Sumerer, Akkader, Assyrer, Babylonier. Und aus diesem Raum gibt es viele erhaltene Hinweise auf die magische Sieben. Aber sicher gab es auch andere Orte der Erde und Menschengruppen, die der Sieben eine besondere Rolle zuwiesen. Sicherlich hat auch die religiöse Magie der Sieben ihren tiefsten Ursprung in der Natur, und zwar besonders in der Rolle der Himmelskörper und ihrer menschlichen Deutung.
Die ständig von unerklärlichen Naturereignissen existenziell bedrohten, fragenden und Verlässlichkeit suchenden Menschen entdeckten die besonderen Himmelserscheinungen: Sonne, Mond und die fünf mit bloßem Auge sichtbaren Planeten. Wenn sie diese schon nicht als göttliche Mächte selbst ansahen, so meinten sie doch durch sie göttliche Botschaften zu erfahren.
Mit der religiösen Heraushebung der heiligen Sieben erlangte die Sieben auch Verwendung und Gewicht in weltlichen Dingen, beispielsweise auch als Kriterium zur Auswahl von wichtigen Dingen. Die folgenden Bilder zeigen Exponate, die auf die Antike verweisen: die sieben Weltwunder und die sieben Freien Künste, die mittelalterliche Goldene Bulle regelte die Königswahl durch drei geistliche und vier weltliche Kurfürsten, die siebenstufige Tonleiter als tief in der Vergangenheit wurzelnde, aber immer noch wesentliche Basis unserer abendländischen Musik, die sieben Farben des Regenbogens, die der große Isaak Newton untersucht hat, und schließlich unsere gesetzliche Regelung, dass ein eingetragener Verein mindestens sieben Gründungsmitglieder braucht.
Im Zusammenhang mit diesem Hintergrund der Sieben verwundert es natürlich nicht, dass die Sieben auch in der Psychologie auftaucht. Bei dem sogenannten Blue-Seven-Phänomen zeigt sich, dass von Probanden, die spontan aufgefordert werden, eine Farbe, eine einstellige Zahl u.ä. zu nennen, am häufigsten die Sieben genannt wird sowie Blau als Farbe.
Es gibt Studien, die zeigen, dass wir Menschen mit einem Blick, ohne zu zählen oder zu ordnen, bis zu sieben, Dinge auf einmal erfassen können. Ab sieben spätestens müssen wir eine Menge von Dingen zählen, um ihre Anzahl zu erfassen. Daher kommt wohl die Verwendung der Sieben als Synonym für viele. Beispiele sind das „Siebengestirn“, bei dem auch ohne Teleskop mehr Sterne als sieben zu erkennen sind. Auch das „Siebengebirge“ bei Bonn besteht aus mehr als sieben Bergen.
So ist auch in der Redewendung „Pack deine sieben Sachen!“ nicht gemeint, dass jemand genau sieben Sachen zusammenpacken soll. Die sprichwörtlichen sieben Leben einer Katze sind auch nur ein Hinweis auf das geschickte Fallen einer Katze und ihre erstaunlichen Überlebensfähigkeiten. So soll die Drohung mit sieben Jahren Unglück für denjenigen, der einen Spiegel zerstört, nur zu besonderer Sorgfalt anhalten, schließlich waren Spiegel früher ausgesprochen teuer.
Die Zahl 7 ist aber auch unter ganz rationalen Gesichtspunkten mathematisch recht interessant. 7 ist die vierte Primzahl, d.h. nur durch 1 und sich teilbar und lässt sich durch die Summen 1+6, 2+5 und 3+4 darstellen. Dabei besteht die Gleichung 2+5=7 aus drei Primzahlen. Unter den ersten zehn natürlichen Zahlen hat die 7 eine weitere Sonderstellung bezüglich der Multiplikation und der Division: Die 7 kann weder als Produkt noch als Quotient der Zahlen 2 bis 10 dargestellt werden, d.h. ohne die 1 zu benutzen. Dagegen ist das bei den anderen neun Zahlen leicht möglich, z.B. 1=10:10, 2=10:5, 3=9:3, 4=2⋅2, 5=10:2, 6=2⋅3, 7=?, 8=2⋅4, 9=3⋅3, 10=2⋅5.
Aber man gerät auch hier sofort wieder in den Bann der Magie. 7=2+5 verknüpft die heilige Fünf mit dem Paar, der Zwei, die häufig noch gar nicht als Zahl empfunden wird. 7=3+4 – Sieben als Summe der heiligen Drei und der heiligen Vier, der Verbindung von Himmlischem und Irdischem, Geistigem und Elementarem. Diese einfachen Gleichungen ergeben den vollkommenen Charakter der Sieben. Sie steht für das Ganze, das Vollkommene und die Fülle. Tatsächlich haben im Hebräischen die Wörter für die Fülle, das Vollkommene und das Zahlwort für die Sieben dieselbe sprachliche Wurzel. Sogar die Sonderstellung der Sieben, die zuletzt angesprochene mathematische Besonderheit von 7, lässt sich theologisch deuten: Gott wurde nicht gezeugt und er hat nicht gezeugt, er war vor aller Zeit und wird auch nach aller Zeit sein. Also spiegelt die Sieben auch hier das Heilige wider.
In weiteren sieben Artikeln werden die schönsten und wichtigsten Miniaturen zur magischen Sieben unter Schwerpunktthemen, wie die magische Sieben am Himmel, in der Mythologie, in den Weltreligionen, in der Geschichte, in der Geografie, in den Naturwissenschaften, in der Welt der Märchen und im Alltag schwerpunktmäßig in unserem Katalog in Wort und Bild dargestellt.
Auch bei der Bewegung in dem Grenzbereich zwischen der rationalen Mathematik und den geistesgeschichtlichen Deutungen gilt ein Wahlspruch der Mathothek: Wer immer nur nach dem Zweck der Dinge fragt, wird ihre Schönheit nie erfahren.