„Apfelmännchen“ und das Zoomen in fraktale Schönheit – Fraktale Erscheinungen in der Natur.

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Dieses Bild des „Apfelmännchen in schwarz-weiß“ lässt noch nichts von der Faszination dieser legendären fraktalen Figur erkennen. Aber dafür wird die Bezeichnung besonders einleuchtend. Deutlich erkennbar ist auch die Selbstähnlichkeit der Figur: Regelmäßig tauchen neue „Apfelmännchen“ in entsprechenden Verkleinerungen auf. Eine Reihe von Bildern in der Mathothek zeigen in schönen Farben äußerst reizvolle Einblicke in die Vielfalt der Struktur, die man durch Auswahl und Vergrößerungen bestimmter Stellen erhält.

Solche Bilder machen die Begeisterung vieler Menschen für das Apfelmännchen, das eigentlich als Mandelbrotmenge bezeichnet wird, in den 1980er Jahren verständlich und sorgten für einen Verkaufsboom von PCs. Benannt ist die Mandelbrotmenge nach Benoit Mandelbrot.

Besonders viele Schüler und Schülerinnen wurden von dieser Welle für diese vorher nie gesehenen Welten erfasst und wollten mehr über den mathematischen Hintergrund wissen, so auch über komplexe Zahlen und Iterationen.

Durch das Zoomen konnte man immer tiefer in die Details schauen und erkennen, dass sich Strukturen in der zunehmenden Vergrößerung immer wiederholten. Nicht nur die Fülle der Muster zog die Betrachter in ihren Bann, sondern auch die Selbstähnlichkeiten faszinierten ihn. Die folgenden Bilder zeigen einige solcher Ausschnitte aus dem Apfelmännchen und ihre Vergrößerung.

Diese fraktalen Schönheiten werden durch einfache Iterationen erzeugt. Das Prinzip ist schon vom Anfang des 20. Jh. bekannt. Aber erst der Computer ermöglichte die so faszinierende Anschauung.

Die das Ampelmännchen erzeugende Iteration sieht so aus:

zn+1=(zn)2+c, für n∈{1, 2, 3, 4, … } und z0=0. Dabei sind zn und c Variablen für komplexe Zahlen, also Punkte in der Gauß’schen Ebene.

Wenn für eine komplexe Zahl c die zugehörige Folge (zn)n∈N  beschränkt ist, so ist die komplexe Zahl c ein Element der Mandelbrotmenge, also ein Punkt des „Apfelmännchens“, aber auch nur dann. Somit ist die Mandelbrotmenge als Teil der komplexen Zahlenebene ein Fraktal. Die Bilder lassen sich dadurch erzeugen, dass man ein Pixelraster auf die Zahlenebene legt und so jedem Pixel ein Wert für c zuordnet. Wenn die Folge beschränkt ist, wird das Pixel z.B. schwarz gefärbt, ansonsten weiß. Das ist beispielsweise beim ersten Bild des „Apfelmännchens“ der Fall. Meistens bestimmt man die Farbe der Pixel nach der Geschwindigkeit, mit der die Folge mit dem betreffenden c gegen unendlich strebt.

Zur Erklärung der komplexen Zahlen und der Gauß’schen Ebene informiert ein weiterer Artikel dieses Katalogs. Typisch für die komplexen Zahlen, die auch alle reellen Zahlen umfassen, dass die Gleichung x2=-1 auch zwei Lösungen besitzt.

Mit den mathematischen Untersuchungen von Fraktalen verbindet sich die Hoffnung auf eine „neue Geometrie“, die geometrische Gebilde mit fraktaler Struktur besser als mit der euklidischen Geometrie beschreiben und erforschen könne. Dabei bedenke man, dass es in der Natur und der realen Welt auch keinen Kreis gibt, der exakt der mathematischen Definition entspricht. Trotzdem hat sich die euklidische Geometrie über 2000 Jahre in ihrer Anwendung glänzend bewährt und nicht nur dort.

In der Mathothek gibt es zahlreiche schöne Beispiele für Annäherungen der Natur und der realen Welt an Fraktale im mathematischen Sinne. Ein erstes Beispiel sind die Fotos eines besonderen Blumenkohls, eines Romanescos. Man sieht hier sehr schön die Selbstähnlichkeit des Objekts. Man vergleiche dazu die vier Bilder im Uhrzeigersinn.

Das Bild eines blattlosen Baumes im Winter zeigt ungestört die fraktale Struktur seiner Äste und Zweige, vom Stamm bis zur feinsten Verästelung.

Keinem aufmerksamen Beobachter entgeht wohl die ausgeprägte fraktale Form eines Wurmfarns (rechts) oder anderer Farne und der Blätter der wilden Möhre.

Auch die immergrünen Zweiglein des Lebensbaums überzeugen uns mit ihrem selbstähnlichen Muster.

Besonders schöne natürliche Fraktale zeigen uns Dolden, und zwar echte und auch Scheindolden:

Die fraktale Form der getrockneten Zweiglein gibt uns eine gewisse Vorstellung über das Aussehen des Strauchs oder auch Baums, von dem sie stammen.

Ein besonders schönes Beispiel für ein natürliches Fraktal sind die Zweige einer „Korkenzieherweide“. Ihre Äste und Zweige erinnern uns meist spontan daran, dass auch das Wurzelwerk von Bäumen und anderen Pflanzen eine starke fraktale Struktur aufweist, wenn man es von Erde gereinigt hat.

Betrachtet man die Blätter von Pflanzen, so erkennt man auch hier eine fraktale Struktur der Adern, beispielsweise bei einem Efeublatt:

Auch in der Tierwelt können wir fraktale finden, z.B. bei diesen Muscheln:

Zwei kleine Objekte scheinen Versteinerungen von Pflanzen mit fraktaler Struktur zu sein:

In diesem Fall handelt es sich nicht um ehemals lebendige fraktale Gebilde, sondern um dendritische Kristalle von Mangan, die uns in ihren Erscheinungen stark an organische Selbstähnlichkeit erinnert.

Nur in der Mathematik können wir gedanklich und logisch korrekt ein Fraktal unendlich oft fortsetzen und sogar das Ergebnis des unendlichen Prozesses angeben. Die Darstellung von Fraktalen mithilfe eines Computers bietet uns fantastische Möglichkeiten, aber es gibt hier Grenzen und keine Unendlichkeit. Jede Zoomfahrt endet zu früh. In der Natur können wir fasziniert fraktale Strukturen erkennen, aber jeweils nur wenige Schritte. Oft sind es nur drei oder vier Schritte. Trotzdem entsteht bei uns die Erkenntnis des fraktalen Musters und wir erfahren, dass wir mit der Kenntnis der drei Schritte das Prinzip erkannt haben und es gedanklich immer weiter ausführen können.

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