“Alles für die Hälfte” – Spiegelungen und symmetrische Objekte

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Da zerbricht eine wertvolle Untertasse, und zwar genau in der Mitte, nur noch der linke Puppenschuh ist vorhanden oder von einem Wort oder zweien ist nur noch die Hälfte zu erkennen. Kann man das Ganze aus der vorhandenen Hälfte rekonstruieren?

Tatsächlich lässt sich das mit einem guten Spiegel machen. Allerdings muss die verlorene Hälfte des Objekts bestimmte Eigenschaften mit der noch vorhandenen Hälfte teilen.

Das oben abgebildete Exponat in der Mathothek kann tatsächlich bei geeigneten Objekthälften zur Wiederherstellung des ganzen Objekts dienen. Es besteht aus einem größeren Holzwürfel, der nach oben offen ist, und bei dem zwei gegenüberliegende Seiten von außen mit jeweils einem Spiegel versehen sind. Das Innere dieses Würfels hat nur die Aufgabe, die zahlreichen und verschiedensten Gegenstände aufzunehmen und aufzubewahren. 

Auf dem unteren Foto sehen wir den aus der Hälfte wiedererstandenen “ganzen” Gegenstand. Leider sieht man bei genauerem Hinsehen, dass das Dekor nicht in Ordnung zu sein scheint. Die Untertasse ist halt wirklich so zersprungen und der Sprung deckte sich nicht mit der Symmetrieachse des Dekors.

Der kleine bestickte Puppenschuh für den linken Fuß einer geliebten Puppe lässt sich leichter mit dem entsprechenden rechten Schuh ergänzen:

Das ist der Inhalt der Kiste; alles nur halbe Sachen und die können jeweils zu einer ganzen Sache gespiegelt werden.

Die beiden an den Außenseiten des Kastens befestigten Spiegel laden zu Spiegelexperimenten ein. Wenn die “halben” Sachen auf die richtige Weise an einen dieser Spiegel gelegt werden, liefert deren Spiegelbild eine Vorstellung des gesamten Gegenstandes: halb Realität – halb Illusion.

Manchmal gelingt diese ideale Ergänzung nicht, und zwar regelmäßig dann, wenn das halbe Objekt durch keine symmetrische Ergänzung zu einem achsensymmetrischen Ganzen gemacht werden kann. Nur dann, wenn ein achsensymmetrisches Objekt so geteilt wird, dass die Bruchlinie sich mit der Symmetrieachse deckt, gelingt das Experiment der spiegelbildlichen Ergänzung. Beim Großbuchstaben Q gelingt die Vervollkommnung nicht:

Aber die folgenden halben Objekte sind ergänzungsfähig:

Was man hier bei bestimmten Worten und Großbuchstaben gemacht hat, lässt sich auch an halben Abbildungen beobachten:

z.B. an der bekannten griechischen Kapelle in Wiesbaden und anderen sakralen Bauten:

Aber auch süße Katzen – nicht nur die berühmte Schrödinger Katze – können ergänzt werden:

Es gibt noch mehrere “halbe Motive” in dieser Kiste. Bei dem unteren Foto handelt es sich um eine Klangfigur.

Was hat dieses Experiment nun mit den mathematischen Begriffen Symmetrie und Achsenspiegelung zu tun?

Grob gesagt heißt das, dass man eine Figur in der Ebene von der gespiegelten Figur nicht unterscheiden kann. Dazu gibt es in der Mathothek ein viel gefragtes Exponat mit bunten großen Druckbuchstaben und einen Handspiegel:

Aber für Interessierte gibt es noch viele andere Exponate zur Symmetrie, z.B. auch Halbspiegel und verschiedene Spiele.

Eine Achsenspiegelung ist eine umkehrbare Zuordnung (oder Abbildung) von Punkten der Ebene zu Punkten der Ebene. Zu jeder Geraden der Ebene gibt es genau eine Achsenspiegelung. Nennen wir die ausgewählte Gerade a, so handelt es sich bei der Abbildung um die Achsenspiegelung an a. Dabei wird jeder Punkt, der auf dieser Geraden a liegt, sich selbst als Bildpunkt zugeordnet (Fixpunkte). Jedem anderen Punkt wird ein Punkt als Bildpunkt zugeordnet, der auf der anderen Seite der Spiegelachse liegt. Dabei müssen Punkt und Bildpunkt denselben Abstand von der Achse a haben und auf verschiedenen Seiten der Spiegelachse liegen. Außerdem muss die Verbindungsgerade von Punkt und Bildpunkt senkrecht zur Achse sein.

Wird nun eine bestimmte Punktmenge M der Ebene durch die Achsenspiegelung an a Punkt für Punkt abgebildet auf die Punktmenge M’, so sind M und M’ (achsen-)symmetrisch.

Um sich die Achsensymmetrie noch einmal anschaulich klarzumachen, gibt es ein gefragtes Exponat in der Mathothek, und zwar mit den Großbuchstaben unseres Alphabets: 

Bei diesen Buchstaben müssen wir die Achse a senkrecht “durch die Mitte” wählen. Für unser Spiegelexperiment heißt das, dass wir die Kärtchen mit den Buchstaben waagrecht unter den Spiegel schieben müssen, damit sich das Spiegelbild des realen Bildes mit der verdeckten Hälfte deckt. Bei den nächsten Buchstaben muss die Achse waagrecht gewählt werden:  

Bei den unten abgebildeten Buchstaben gibt es beide Möglichkeiten: Sie besitzen eine senkrechte und eine waagrechte Spiegelungsachse:

Alle anderen Buchstaben besitzen keine solchen Spiegelungs- oder Symmetrieachsen:

Das obige Foto zeigt ein räumliches Beispiel. Die beiden Partner – Salz- und Pfefferstreuer – sind von ihren Gestalten her, nicht von ihren Farben – achsensymmetrisch (im Raum), was in der Ebene der Punktsymmetrie entspricht. Das reale und das gespiegelte Paar sind im Raum ebenensymmetrisch (an einer Ebene gespiegelte Objekte), was in der Fläche einer Achsensymmetrie entspricht.

In der Mathothek ist das Thema Symmetrie in allen seinen Fassetten in einer sehr großen Anzahl von Exponaten und Beispielen überall präsent. Symmetrie und Proportionen, Schönheit und Harmonie sind ein interessantes und vielfältiges mathematisches Thema, aber doch vor allem eine weit darüber hinaus gehende Idee und wesentlicher Teil der menschlichen Kultur.

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