Wer hat x erfunden? – Gibt es eine Bibel der Mathematik?

Du befindest dich hier:

 Als ganz junger Schüler stellte ich mir die Frage, wo die Lehrer ihr Wissen von diesen mathematischen Wahrheiten her haben. Da es hier keine wagen Aussagen gab, sondern logisch einleuchtende Folgerungen, über die nicht zu diskutieren war, schien mir eine gewisse Parallele zum Religionsunterricht zu bestehen. Da vermutete ich, dass es wohl auch so eine dicke Mathematikbibel gäbe, in der alle diese ewigen Wahrheiten stünden. 

Tatsächlich gibt es so etwas wie die Bibel der Mathematik: Es sind die Elemente des griechischen Mathematikers Euklid von Alexandria. Aber dabei handelt es sich nicht um eine Offenbarung eines Gottes, sondern das erste wissenschaftliche Mathematikbuch überhaupt. Darin hat Euklid im 4. Jahrhundert vor Ch. nicht nur das wesentliche mathematische Wissen seiner Zeit zusammengetragen, sondern auch logisch aufgebaut und damit die Wissenschaft Mathematik begründet.

In der Mathothek gibt es ein Exemplar von Euklids „Elementen“.  Obwohl es in Deutsch und nicht in Altgriechisch geschrieben ist, ist die schöne Ausgabe noch wenig benutzt. Es ist in einer recht edlen blauen Kiste zu finden, die in silbernen Buchstaben die Aufschrift „Ältestes Mathematikbuch“ (300 vor Chr.) trägt.

Euklid hat in seinen Elementen das mathematische Wissen seiner Zeit (4. Jahrhundert vor Chr.) logisch geordnet dargestellt. Dabei ging er so vor, dass er jede Aussage mit bereits gesicherten Aussagen begründete.

Da dieses deduktive Verfahren nicht unendlich weit zurückgeführt werden kann, formulierte er als Grundlage gewisse Grundaussagen, die anschaulich klar und einsichtig erscheinen und einfach genug zu formulieren sind. Dieses Fundament nannte er Axiome und Postulate. Dabei waren die Axiome mehr allgemein formulierte Regeln, wie z.B. „Sind Dinge mit einem Dritten gleich, so sind sie auch untereinander gleich.“ Postulate bezogen sich auf mathematisch-geometrische Beziehungen, wie z.B. “ Zu zwei verschiedenen Punkten gibt es immer eine Gerade, die die beiden Punkte verbindet. Euklid „definierte“ auch die Grundbegriffe der Geometrie, wie z.B. Punkt, Gerade, orthogonal, wobei dies im eigentlichen Sinne keine Definitionen  waren, sondern Umschreibungen. Das Schema: „Voraussetzung – Behauptung – Beweis“ ist in der Mathematik auch heute noch zu Hause. Dabei darf beim Beweisen nicht mehr auf die Anschauung zurückgegriffen werden. Euklids Elemente waren bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts das Mathematikbuch der höheren Schulen.

Eine besondere Rolle spielte in der Entwicklung der Mathematik das fünfte Postulat, das besagt, dass es zu einer gegebenen Geraden und einem Punkt, der nicht auf ihr liegt, genau eine Gerade gibt, die durch diesen Punkt geht und die parallel zur gegebenen Geraden ist. Diese Formulierung ist der Euklid’schen logisch äquivalent. Ebenso kann formulieren, dass die Summe der Innenwinkel in jedem Dreieck immer zwei Rechte beträgt. Immer wieder wurde zu beweisen versucht, dieses Postulat logisch aus den anderen abzuleiten. Jedoch ohne Erfolg! Erst im 19. Jahrhundert entdeckten drei Mathematiker, das es auch Geometrien gibt, in denen das Parallelenpostulat nicht gültig ist, aber alle anderen euklidischen Axiome erfüllt sind: die nichteuklidischen Geometrien.

Typisch für die Mathematik sind nicht nur Definitionen, Axiome und Beweise, sondern auch ihre Zeichen und Symbole, die für viele die Mathematik so unattraktiv, abstrakt und unverständlich machen. Sie tragen aber wesentlich zur Komprimierung, Dichte und Eindeutigkeit der mathematischen Sprache bei. Im ersten Katalog des Gießener Mathematikums gibt es eine schöne Sammlung von mathematischen Zeichen mit Hinweisen auf ihre Entstehung. Daraus hat ein Leistungskurs mithilfe einer langen Wäscheleine eine kleine Präsentation zu einem Schulfest gestaltet. Später konnten die bunten Blätter längere Zeit im Flur vor der Mathothek betrachtet werden. Ansonsten sind sie in einem Ordner in der Mathothek einsehbar.

Es folgen einige Beispiele:

Wie die für den Katalog der Mathothek Zusammenstellung der Blätter zeigt, ist die Einführung der Symbole nicht gleichmäßig über die Jahrhunderte erfolgt. Besonders produktiv waren das 17. und das 19. Jahrhundert. So lässt sich mithilfe dieser Objekte der Mathothek nicht nur etwas darüber erfahren, was die Zeichen bedeuten und wann und wo sie entstanden, sondern auch über die Geschichte der Mathematik und die verschiedenen Völker und Kulturen, die ihren Beitrag zu dem großartigen Weltkulturerbe Mathematik geleistet haben. Selbstverständlich haben noch viele andere Kulturen ihren Beitrag geleistet, die auf die obige Weise nicht in das Blickfeld treten.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

vier × 2 =