Sprache und Schrift – Information von Reihenfolge, Konsonanten und Vokalen

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Heute noch wechseln sich bei Bundestagsdebatten Stenografen ab, die in Kurzschrift die Redebeiträge, Zwischenfragen und -rufe mitschreiben. Die in Stenografie mitgeschriebenen Texte werden dann sofort in Langschrift übertragen und aufbewahrt. Diese Dokumentation des parlamentarischen Geschehens gilt als besonders authentisch. Das ist aber nur möglich durch die Kurzschrift und die geübten Stenografen. In Langschrift wäre das nicht möglich. Damit eine solche Geschwindigkeit des Mitschreibens möglich ist, wurde die Kurzschrift mit besonderen Schriftzeichen, Kürzeln und andere Vereinfachungen erfunden. Ein Vorteil in der Stenografie besteht darin, dass es keine eigenen Zeichen für die Vokale gibt, sie werden durch die Platzierung und die Strichverstärkung oder nicht des nachfolgenden Konsonanten angedeutet. Warum gerade die Vokale?

Um die Antwort darauf zu finden, gibt es ein recht überzeugendes Exponat in der Mathothek. Bei einem vielen Deutschen wohlbekannten Text wurden jeweils verschiedene Buchstaben weggelassen, aber gleich viele beibehalten.

Erste Version:

Zweite Version:

Ziemlich sicher können sie im zweiten Fall, in dem auf die Vokale verzichtet wurde, mit einiger Mühe, nach einigem Probieren und Raten den Text einigermaßen gut lesen und so erkennen, dass es sich um den Anfang des Grimm’schen Märchens von Hans im Glück handelt:

Dieses kleine Experiment zeigt, dass für die Sprache und Schrift die Konsonanten oder Mitlaute besonders fundamental sind, dass diese das Skelett für Sprache und Schrift sind. Die Vokale leisten zum angenehmeren Klang und zur besseren Aussprache ihren wichtigen Beitrag. In manchen slawischen Sprachen werden weniger Selbstlaute als z.B. im Deutschen benutzt. Man denke nur an die kroatische Insel Krk. Das Tschechische, Slowakische, Kroatische und Russische besitzen viele Wörter, die keine oder sehr wenige Vokale enthalten und die für Menschen, deren Muttersprache wesentlich mehr Vokale verwenden, zu Zungenbrechern werden können. 

Manche Unklarheiten, Deutungen und Fragen entstanden und ergeben sich daraus, dass im Hebräischen keine Vokale geschrieben werden. Bei den ältesten Alphabeten, die auf das von den Phöniziern verbreitete Alphabet zurückgingen, gab es keine Zeichen für Selbstlaute. Die Griechen und dann die Römer usw. benutzten Konsonantenzeichen, die sie zum Schreiben ihrer Sprachen nicht brauchten, als Vokalbezeichnungen. Dass das Deutsche zu einer der vokalreichsten Sprachen wurde, hängt mit Lautverschiebungen zusammen, die um etwa 500 v. Chr. innerhalb einzelner Gruppen der indogermanischen Sprachfamilien erfolgten. Durch den Vokalreichtum können wir u.a. nachfolgende oder vorangehende Konsonanten besser erkennen.

Dieses kleine Exponat ist aber nicht nur aus sprachlicher und geschichtlicher Sicht interessant, sondern auch in der Informatik nicht uninteressant. Obwohl der erste und der zweite Text jeweils aus 242 Zeichen gleichviel Zeichen benutzen, enthält der zweite Text viel mehr Information. Die Buchstaben unseres Alphabets haben also nicht jeder die gleiche Menge an Information. Dabei hängt dies nicht von der relativen Häufigkeit dieses Buchstabens in einer Sprache ab. Im Deutschen hat der Buchstabe e die größte relative Häufigkeit, aber mit die geringste Information.

Interessant ist es unter diesem Gesichtspunkt auch, dass durch das Vertauschen von Buchstaben in ihrer Reihenfolge innerhalb der Wörter, wenn nur der erste und der letzte Buchstabe stimmen, fast die gesamte  Information erhalten bleibt. Auch hierzu gibt es ein kleines Objekt in der Mathothek. Beim Versuch diesen Text zu lesen, korrigieren wir fast unbewusst die Umstellungen. So können wir leicht dem Text die volle Information entnehmen. Leesn Sie mal! Wie Sie seehn, ghet das wrilkich!

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